Man gönnt sich ja sonst nichts: Die Politiker von Ungarn residieren in diesem Palazzo Prozzo in Budapest. Doch eine Rent für normale Bürger von über 93 Euro sei zu viel, sagt die Regierung. (Bild: pixabay.com | CC0 Creative Commons)
Man gönnt sich ja sonst nichts: Die Politiker von Ungarn residieren in diesem Palazzo Prozzo in Budapest. Doch eine Rent für normale Bürger von über 93 Euro sei zu viel, sagt die Regierung. (Bild: pixabay.com | CC0 Creative Commons)

Unterschiedlichste Parteien, Bürger-Vereinigungen und Forschungseinrichtungen diskutieren in Ungarn, ob die seit 2008 geltende Mindestrente in Höhe von 28.500 Euro Ungarischer Forint (HUF), umgerechnet gerade mal 93 Euro im Monat, noch zeitgemäß ist.

Einige Politiker, darunter in der Regierung, verweigern eine Anhebung mit den Worten, die Rente in dem EU-Land Ungarn solle kein Luxusleben für die Bürger ermöglichen.

Viele fragen sich. Luxus? Bei noch nicht einmal 100 Euro Rente in einem EU-Land?

Zum Vergleich: Der Mindestlohn liegt in einem Schwellenland, wenn nicht Entwicklungsland wie Südafrika für staatliche Agrararbeiter und Arbeiterinnen nicht viel höher als die Mindestrente in Ungarn: bei rund 125 Euro im Monat.

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Eine südafrikanische Arbeiterin meinte, das sei selbst im südlichsten Land Afrikas viel zu wenig, da sie so keinen Cent fürs Alter zurücklegen könne.

Hinzu komme, dass alleine das Busticket sie monatlich 60 Euro koste – also die Hälfte ihres Lohns. Denn der öffentliche Personennahverkehr wird in Südafrika nicht staatlich subventioniert. Doch Hunderttausende Menschen kommen nur mit Bussen aus den Slums hinaus zum Arbeitsplatz. Fahrzeiten von zwei Stunden sind da keine Seltenheit – oneway.

Ungarn und Südafrika – so weit scheinen die beiden Länder beim Thema Mindesteinkommen also gar nicht auseinanderzuliegen.

Hält man sich das vor Augen, wird vielleicht klar, warum gerade die ungarischen Bürger sich so vehement gegen Flüchtlingswellen wehren, da das staatliche Geld offensichtlich gegenüber den eigenen Bürgern äußert knapp gehalten wird und die Armut bei Millionen Ungarn entsprechend groß ist.

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Seit Jahren setzt sich der ungarische Rentnerverband NYOSZ für eine Anhebung der Mindestrenten ein. Bislang allerdings erfolglos. NYOSZ steht für „Ungarische Rentner Nationale Vereinigung der Verbände“. Auf ungarisch heißt dies: „Magyar Nyugdíjasok Egyesületeinek Országos Szövetsége“.

Jedenfalls verlautbart es in der ungarischen Regierungspartei unter Ministerpräsident Viktor Orbán, 54, (dessen richtiger Name auf ungarisch Viktorhoz Orbán lautet) dass eine Pension zwar soziale Sicherheit bieten solle. Nicht aber bedeute dies eine angebliche „luxuriöse Pension“.

Deshalb sollten die Ungarn bei Zeiten privat sparen, sagt das Orbán-Kabinett. Was die Regierung aber nicht näher ausführt:

Sparen ist bei den in Ungarn bezahlten niedrigsten Löhnen für viele schlicht nicht zu stemmen. Der Weg in die bittere Altersarmut ist so vorgezeichnet. Ein Problem, welches auch in den beiden EU-Ländern Deutschland oder Österreich bekannt ist. Nicht aber so eklatant wie in Ungarn.

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Doch damit nicht genug: Klappt schon die normale Rente in Ungarn nicht, sieht es noch viel schlechter für die Teilzeitarbeitnehmer aus. Das was diese Arbeitnehmer später an Mindestrente erhalten, liegt deutlich unter dem Niveau, welches der normale Arbeiter oder Angestellte erhält. Es ist also deutlich unter den 93 Euro.

Denn auch die Mindestrente war nur ein Kompromiss am untersten Ende für die Masse der ganztägig beschäftigten Arbeitnehmer. Viel niedriger hätte sie nicht mehr sein können, hätte man sich nicht komplett der Lächerlichkeit preis geben wollen. Denn gerade die Lebenshaltungskosten sind in Ungarn in vielen Bereichen, wie den Lebensmitteln, nicht viel niedriger als in Deutschland.

Kritik an der niedrigen Mindestrente kommt neben dem Rentenverband vom
Präsidenten der Sozialisten, Molnár Gyula. Er sagte, die derzeitige Mindestrente sei nicht akzeptabel. Vielmehr müsse sie mindestens doppelt so hoch sein. Sie müsse also um die 180 Euro monatlich betragen.

Gleichzeitig fordert die Sozialistische Partei, wonach die Anzahl der Pflegeheim in Ungarn ebenfalls deutlich aufgestockt werden müsse, beziehungsweise am besten gleich verdoppelt werden müsse. Nur so könne man den immer mehr Pflegefällen unter der wachsenden Klientel der ungarischen Senioren gerechnet werden.

Die Pflegeheime sollten ihre Tore für alle Menschen ab 65 Jahre öffnen, lautet eine zweite Forderung.

Doch bevor das Dauerproblem zu wenig Pflegeheime in Ungarn angegangen wird, dürften die Opposition und der Rentenverband die Regierung weiterhin beim Thema Anhebung der Mindestrente vor sich hertreiben, sofern das in Ungarn überhaupt möglich ist, wo es die Opposition noch nie einfach hatte, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen.

Das Rentensystem in Ungarn speist sich momentan aus zwei Töpfen: Der staatlichen Altersrente aus einer staatlichen Pensionskasse und einer Rente des Arbeitgebers.

Zur Linderung der Altersarmut führte schon im Jahr 2008 Péter Medgyessy, der ehemalige ungarische Premierminister, eine 13. Monatsrente ein. Diese war aber nur kurz ausbezahlt worden, um sie dann wieder einzustellen.

Auch für diese 13. Monatsrente war die Mindesthöhe schon vor bald 10 Jahren auf 93 Euro festgesetzt worden. Ebenfalls war die Maximalhöhe der ausbezahlten Rente gedeckelt worden – auf 80.000 Ungarischen Forint. Das sind umgerechnet 261 Euro.

Dass die ungarische Regierung vor Jahren die 13. Monatsrente wieder eingestellt hat, liege nicht daran, so Medgyessy, dass Politiker Unmenschen seien, sondern dass schlicht das Geld nicht da sei.

So würden ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes, 250 Milliarden Ungarische Forint, beziehungsweise 816 Millionen Euro, für die Rentenzahlungen ausgeschüttet. Dies sei eine „schreckliche Last“ für den ungarischen Staatshaushalt. Grund: Auch viele andere Bereiche seien dringend auf staatliche Gelder angewiesen.

Der ungarische Politikwissenschaftler Gergely Karácsony kritisiert wiederum, dass ein zentrales Problem Ungarns sei, dass es einen Spalt zwischen der Unternehmerschaft und den normalen Bürgern gebe. In wohlhabenden Ländern sei das in diesem Ausmaß, wie in Ungarn, nicht üblich. Vielmehr gebe es dort einen stärkeren sozialen Zusammenhalt.

Nur durch Zusammenhalt und Ausgleich zwischen Unternehmern und Arbeitgebern, beziehungsweise den Gewerkschaften, so Karácsony, könne ein gutes zusammenhängendes Rentensystem aufgebaut werden.

Neben der Mindestrente ist in Ungarn die Einführung eines Grundeinkommens eine zentrale Forderung von Sozialverbänden und der Opposition. Sollte dieses eingeführt werden, wäre auch die niedrige Mindestrente Vergangenheit.

Im Gespräch für ein Grundeinkommen sind nämlich wenigstens 60.000 Ungarische Forint. Das wären dann umgerechnet 196 Euro. Verfechter eines solchen Grundeinkommens sagen, dies sei das Minimum an Bürgerrechten. Rentner sollen ein etwas höheres Grundeinkommen haben, mindestens 90.000 Forint, was 294 Euro wären.

Einzelnachweise

(1) „Nyugdíjminimum-emelést és boldogságot ígértek a pártok Csillebércen„, „Mindestlohn Erhöhung Renten und Glück in der Partei versprochen Csillebérc“, von
Medvegy Gábor, in: 24.hu vom 09. 01. 2017.

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Von Frank

Frank faszinieren ausgefallene Geschäftsmodelle und Steuersysteme. Neben Russland interessiert er sich besonders auch für die Schweizer Steuermodelle oder jene in Südafrika. Kontakt über: frank.herrmann@steuerratschlag.eu

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