Wie in Deutschland kaufen sich die Chinesen seit Jahren im Nachbarland Österreich immer stärker in Unternehmen ein. Dass sie dies nicht nur als Finanzanlagen ansehen, sondern operativ hart durchgreifen, wenn sie es für nötig halten, zeigt der Fall der FACC, der ehemaligen „Fischer Advanced Composite Components“.
Bei der FACC handelt es sich um einen österreichischer Flugzeugkomponentenhersteller aus Ried im Innkreis. Bei ihm war bereits 2009 der chinesische Luft- und Raumfahrtkonzern, die „Aviation Industry Corporation of China“, kurz AVIC, eingestiegen. Kurz darauf brachten die Chinesen die FACC an die Börse und halten seither 55% der Anteile. Genug, um alle wichtigen Entscheidungen treffen zu können.
Das ist nun passiert: Die chinesischen Anteilseigner feuerten den Firmengründer der FACC, CEO Walter Stephan. Als Grund werden Verfehlungen genannt. Verfehlungen, die aber schon andere ihren Job in der Firma gekostet hatten.
So hatte eine Mitarbeiterin der Buchhaltung eine Betrugs-E-Mail mit einer glaubhaften Signatur erhalten. Darin war der österreichische Flugzeugkomponentenhersteller FACC aufgefordert worden, eine Rechnung über mehr als 50 Millionen Euro an diverse Konten im Ausland zu begleichen.
Normalerweise werden Rechnungen dieser Größenordnung nur von Vorständen, oft nur von Vorstandsvorsitzenden, nach umgehenden Prüfungen freigegeben. Dazu gehört der Abgleich des Auftragsbuches, der Abnahme und schließlich der Schlussrechnung. SAP bietet Firmen dafür beispielsweise vorzügliche Rechnungs-Freigabe-Kontrollsysteme an.
Doch eine eingehende Rechnungskontrolle scheint so bei der FACC nicht stattgefunden zu haben. Vielmehr hatten die Chinesen nach der Übernahme eine offensichtlich chinesische Finanzchefin an Bord des Unternehmens gehievt. Sie hatte scheinbar Probleme, den Groß-Betrug rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Deshalb wies ihre Mitarbeiterin der Buchhaltung die angeforderten über 50 Millionen Euro an – und zwar an die kriminellen Spam-Absender im Ausland.
Die E-Mail war scheinbar so aufgesetzt, dass die Mitarbeiterin in der Buchhaltung und auch ihre Finanz-Chefin von einem firmeninternen Absender ausgegangen war, über welche die Aufforderung, das Geld zu überweisen, gekommen war.
Das Problem mit den gefälschten Absender-Adressen bei E-Mails
Das zumindest erklärte der für die Investor Relations bei FACC zuständige Mitarbeiter, Manuel Taverne, gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur APA:
„Beim Fake-President-Betrug werden gefakte Emails an Mitarbeiter geschickt und diese werden ersucht, Handlungen zu setzen. Bei uns war die gewünschte Handlung die Überweisung von mehreren Millionen Euro – unter Vortäuschung eines Geschäftsfalls.“
Auch deutsche Unternehmen werden seit Monaten mit Millionen Spams geflutet, die oft Namen direkt von Firmenmitarbeitern enthalten und so intern den Anschein erwecken, als sei der Absender Kollege xy.
Die geschasste Finanzchefin der FACC, Minfen Gu, war nach Angaben in Xing seit Februar 2011 als CFO, also Chief Financial Officer, bei der FACC. Zuvor arbeitete sie über drei Jahre als Head of Controlling bei der Evonik (China) Holding Ltd. in Shanghai.
Dem Firmengründer des Luftfahrtunternehmens FACC, Stephan, werden nun nach Vorlage des Ergebnisses einer externen Untersuchungs-Kommission vom Aufsichtsrat der Firma schwerwiegende Versäumnisse im Falle der 50 Millionen Euro-Fehlüberweisung vorgeworfen. So schwer, dass man sich von ihm deshalb trennte.
Ein solche Kündigung wäre aber sicherlich ebenso in vielen anderen Firmen erfolgt, wenn solch enorme unternehmerische Fehler passiert wären. Der Aufsichtsrat der FACC wird mehrheitlich von Chinesen gehalten.
Firmengründer Stephan hatte ursprünglich bei dem Ski-Bauer Fischer in Österreich die Abteilung Entwicklung geleitet. Da Ski-Bau oft defizitär ist, vor allem im Bereich der Flugski, setzte Fischer weitere Geschäftsfelder auf und gründete letztlich den Luftfahrtkonzern FACC. Dabei hatte er unzählige Auszeichnungen und große Anerkennungen erhalten.
Doch wie so oft, wenn Firmen schnell wachsen, verlieren Geschäftsführer oder Inhaber schneller den Überblick, als ihnen lieb ist. Denn meist gelingt es nicht, die Strukturen im Unternehmen – wozu auch Kontrollstrukturen gehören – dem Wachstum nachzuziehen.
Die Gründung der FACC geht auf immerhin 30 Jahre zurück. Umso schockierter ist man in Österreich jetzt, dass es nun auch den Firmengründer erwischt hat, welcher nach dem enormen E-Mail-Skandal gehen muss.
Der neue Interims-Vorstandschef bei der FACC wird Vorstand Robert Machtlinger, welcher bereits Geschäftsführer der Konzerntochter FACC Operations GmbH ist. Die gefeuerte Minfen Gu wurde vorübergehend wieder durch einen Chinesen ersetzt – und zwar durch Yongsheng Wang.
Die überwiesenen über 50 Millionen Euro waren auf unterschiedliche Konten im Ausland überwiesen worden. Man gehe derzeit davon aus, dass 41,9 Millionen Euro auf jeden Fall unwiederbringlich in den kriminellen Kanälen des Internets verschwunden bleiben. Der Betrag soll bereits in der Bilanz 2015/16 abgeschrieben worden sein. Konzernintern spricht man bei der FACC von einem „Incident“, einem „Unfall“.
In der Gesamtbilanz weist die FACC einen Gesamtverlust in Höhe von 21,9 Millionen Euro für das abgelaufene Geschäftsjahr aus. Immerhin wuchs aber der Umsatz von 529 Millionen Euro auf 588 Millionen.
Möglicherweise können in letzter Sekunde noch 10 Millionen Euro, welche durch die President-E-Mail auf Betrügerkonten überwiesen worden sind, wieder zurückgeholt werden. Hier war des der Firma gelungen, den Betrag zumindest erst einmal einfrieren zu lassen.
In die juristische Aufarbeitung ist die „Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft“, kurz WKStA, involviert. Sie hatte allerdings keine Verfahren gegen FACC-Organe eingeleitet, da man vorsätzliches geschäftsschädigendes Verhalten nicht ausmachen könne. Bei der FACC arbeiten über 3000 Mitarbeiter, davon 2700 in Oberösterreich.