Müssen künftig auch Privatbürger über Jahrzehnte ihre Leitz-Ordner mit Steuerunterlagen aufheben?
Müssen künftig auch Privatbürger über Jahrzehnte ihre Leitz-Ordner mit Steuerunterlagen aufheben?

Der deutsche Staat hat so hohe Steuereinnahmen wie noch nie, da die Deutschen zu den am höchsten besteuerten Bürgern weltweit gehören. Doch der Volkspartei SPD ist das nicht genug. Sie spricht von umfangreichem Lug und Betrug unter Steuerzahlern.

Deshalb bringen nun SPD-Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel, der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans, sowie der Vizefraktionschef im Bundestag, Carsten Schneider, die gewaltige Zahl in den Umlauf, wonach die 550 Millionen EU-Bürger die 28 Mitgliedsländer der Europäischen Union angeblich über 1000 Milliarden Euro steuerlich jährlich prellen würden. Nachvollziehbar sind die 1000 Milliarden Euro nicht wirklich, aber gewaltig klingt es allemal.

Um mögliche Steuerpreller besser fassen zu können, sollen nach dem Willen von Schäfer-Gümbel, Walter-Borjans und Schneider in Deutschland lebende Bürger generell beweisen, woher jeder Cent in der Geldbörse stammt. Man wolle, heißt es, „die Beweislast“ in Zweifelsfällen umkehren. „Woher kommt Dein Vermögen“, stehe dabei im Mittelpunkt des Interesses.

Wer die Herkunft von 100 oder 1000 Euro im Geldbeutel nicht belegen könne, müsse sich künftig Schätzungen der Finanzämter unterziehen, lautet der Plan. Das bedeutet aber auch: Steuererhebungen könnten letztlich willkürlich von den Steuerbeamten festgelegt werden, wenn man nicht genau belegen könne, woher ein Betrag auf dem Konto oder unter dem Kissen zu Hause stammt. Diese Steuerschätzungen gibt es zwar auch heute schon, doch scheinen die SPD-Politiker das weiter ausbauen zu wollen.

Zu vorderst wolle man damit Steuerbetrug bekämpfen und Gewinne aus Straftaten abschöpfen, erklärten die drei ranghohen SPD-Politiker in ihrem Zehn-Punkte-Katalog, welcher bereits am Montag vom SPD-Parteivorstand beschlossen werden solle.

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Doch mit der nachträglichen Steuer ist es nach dem Willen der Politiker nicht getan. Man wolle künftig Vermögen, welche die Betroffenen nicht genau begründen können, nicht nur steuerlich willkürlich über Schätzungen belasten können, sondern einfach staatlich komplett einziehen. Wo der Begriff „Vermögen“ beginnt, ist nicht klar: Bereits bei 1000 Euro, bei 5000 Euro oder 10.000 Euro?

Das Thema Steuerkriminalität möchte die SPD zudem auf dem anstehenden Parteikonvent am 5. Juni 2016 in Berlin auf die Tagesagenda setzen. An dem Treffen nehmen 200 ranghohe SPD-Delegierte teil. Dort soll auch beschlossen werden, wie der internationale Datentransfer über sämtliche Finanztransaktionen von Bürgern noch weiter ausgebaut werden könne. Das wäre dann ein weiterer Sargnagel auf das einstmals hochgehaltene Bankgeheimnis.

Hinzu kommt, dass die SPD-Politiker scheinbar auch die Verjährung von möglichen Steuersünden nach 10 Jahren abschaffen möchte, was ein kompletter Paradigmawechsel in der Steuerpolitik wäre.

Bislang gilt für jeden deutschen privaten Steuerzahler – ob Arbeitnehmer, Student oder Rentner – dass 10 Jahre nach Abgabe der Steuererklärung mögliche versehentliche oder vorsätzliche Fehler in einer Steuererklärung verjährt sind.

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Das bedeutet: Nach 10 Jahren dürfen entsprechend die Steuerordner mit sämtlichen Belegen, Rechnungen und sonstigem Papierkram, welcher für die Finanzämter vorzuhalten war, zur Archiv-Entlastung der Bürger entsorgt werden.

Kippt nun wirklich die 10-Jahres-Verjährungsfrist, bedeutet dies: Auch eine 100-Jährige Oma muss ihre gut 100 Leitz-Ordner über ihr komplettes Steuerleben archivieren. Die Zeiten, wo das Wohnzimmerregal für das Aufheben von Steuerbelegen über die vergangenen 10 Jahre ausreichend war, könnten schon bald vorbeisein.

Deshalb könnte es durchaus sein, dass sich Millionen Deutsche schon bald Gedanken darüber machen müssen: Wohin mit den Dutzenden zusätzlichen Steuerbelegs-Ordnern?

Die SPD-Politiker Thorsten Schäfer-Gümbel, Norbert Walter-Borjans und Carsten Schneider überschreiben ihren Steuerplan mit dem Motto: „Anonymität darf nicht zur Verjährung führen“.

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Kommentar

Der SPD-Plan ist, schlicht ausgedrückt, einfach nur irre und ein Anschlag auf das Grundprinzip unseres demokratischen und christlichen Selbstverständnisses. Denn ganz zentral zu unserem Kulturgut gehört der Passus, wonach mögliche Lebens-Fehler oder Sünden sich verjähren können und sollen. Das Optimistische soll im Zentrum des Gesamtlebens stehen, nicht das nicht Vergebende und ständig Bedrohliche.

Um also ein paar Steuerbetrüger auch nach zehn Jahren möglicherweise fassen zu können, stellt man über 40 Millionen private ehrliche Steuerzahler in Deutschland unter einen Generalverdacht. Man möchte ihnen die Chance auf Verjährung vergangener möglicher Fehler oder Sünden nehmen. Das ist skandalös.

Gleichzeitig möchte man den Bürgern aufbürden, Papierkram über Jahrzehnte im Wohnzimmer, Keller oder extra angemieteten Archiven aufzubewahren. Dabei wird es für Bürger besonders schlimm, welche die 100 Jahre bereits überschritten haben. Für sie könnte es künftig bedeuten, 80 bis 85 Jahre Steuerunterlagen jederzeit für die Finanzbeamten parat haben zu müssen, möchte man eine Steuerschätzung oder den Einzug des Vermögens, das man an die Enkel weitergeben wollte, verhindern.

Als Argument führt die SPD bislang an, man ziehe mit dem 10-Punkte-Plan die Lehren aus den Panama-Papers, wo bekannt geworden war, dass Hunderttausende Firmen oder Privatbürger über Briefkastenfirmen Geld im Ausland angelegt haben.

Allerdings sind Briefkastenfirmen nicht illegal und seit über 100 Jahren im kapitalistischen Wirtschaftsleben üblich. In Deutschland hat die Veröffentlichung der Panama Papiere bislang keine eklatanten Steuersünden zu Tage befördert. Dies belegt einmal mehr, wie überaus über das Ziel die SPD-Politiker mit ihrem 10-Punkte-Plan schießen.

Gleichzeitig braucht man sich bei so viel staatlichem Irrsinn nicht wundern, wenn immer mehr Protestwähler ihr Häkchen bei Parteien wie der AfD machen. Denn die Deutschen zahlen bislang nicht zu wenig steuern, sondern – trotz Steuerbetrüger – unterm Strich viel zu viele Steuern. Was dazu führt, dass das Pro-Kopf-Vermögen der Deutschen im Durchschnitt niedriger ist als in Griechenland, Spanien, Italien oder Frankreich. Denn in keinem anderen Industriestaat ist es so schwer, Vermögen für den Durchschnitts-Bürger aufzubauen, wie in Deutschland. Die hohe Steuerlast ist einer der Gründe.

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Von Frank

Frank faszinieren ausgefallene Geschäftsmodelle und Steuersysteme. Neben Russland interessiert er sich besonders auch für die Schweizer Steuermodelle oder jene in Südafrika. Kontakt über: frank.herrmann@steuerratschlag.eu

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