Mit wirtschaftlichen Verwerfungen rechnet zwar niemand nach dem Brexit mehr, wohl aber mit leichten Veränderungen. Wie stark diese ausfallen, dürfte in Großbritannien vor allem vom Handeln der Bank of England, also der Zentralbank, abhängen.
Klar ist schon heute: Das britisch Pfund ist gegenüber dem US-Dollar um 10% gefallen. Das ist nicht dramatisch, berücksichtig man, dass der Absturz des Euros gegenüber dem US-Dollar seit 2008 sich im Schnitt auf rund 40% beläuft. Dennoch ist der Absturz des Pfund bemerkenswert: Ist es doch das einzige Mal sei 1985 dass der Pfund an nur einem Tag in einer solchen Größenordnung an Wert verlor. Der US-Starinvestor George Soros hatte kurz vor dem Referendum zum Brexit gar von einer möglichen Pfund-Abwertung von bis zu 20% gesprochen.
Wie üblich, wenn eine Währung an Wert gegenüber andere Währungen verliert, gilt die Faustformel, dass im Schnitt Exporte in andere Länder dort günstiger werden, Importe aber teurer.
Derzeit gehen Ökonomen davon aus, dass die Kosten für Kredite in Großbritannien – ein formaler Zusammenschluss aus England, Wales, Schottland und Nord-Irland – um 0,7% bis 1,1% teurer werden könnten. Das hat vor allem auf Immobilienkäufer Auswirkungen – wenngleich ebenfalls keine dramatischen. Im Schnitt wird derzeit im Vereinigten Königreich davon ausgegangen, dass die Kosten für eine Hypothek jährlich um rund 1000 Euro steigen könnten.
Vor allem die auf Kredite angewiesene Mittelschicht würde darunter also leiden. Wenn die Kosten für Kredite steigen, bedeutet dies gleichzeitig, dass der Kauf von Immobilien, auch von Gewerbeimmobilien, teurer wird. Da diese Kosten an die Mieter weitergegeben werden müssten, bedeutet dies: Die sowieso schon im internationalen Vergleich sehr hohen Mieten (für oftmals sehr schlechte Bausubstanz in Großbritannien), würden weiter in die Höhe getrieben werden.
Doch ob die Kreditzinsen wirklich steigen, hängt am künftigen Handeln der englischen Zentralbank, der Bank of England. Es könnte nämlich durchaus sein, dass diese der Europäischen Zentralbank in Frankfurt folgt und die Zinsen weiter senkt. Das würde sich dann wiederum höchstwahrscheinlich in fallenden Zinsen und damit fallenden Kosten für Kredite niederschlagen. Ein Ökonom der Großbank UBS, David Tinsley, sagte, er gehe davon aus, dass die Bank of England die Kosten für Zinsen vom Rekordtief 0,5% weiter absenken könnte auf Null.
Das wäre wiederum positiv für Immobilienkäufer. Deshalb ist eher unverständlich, warum der Internationale Währungsfonds (IWF) vor dem Referendum zum Brexit davor „warnte“, dass ein Brexit zum Rückgang der Immobilienpreise führen könne. Denn schon heute gelten die britischen Immobilien zu den teuersten und oftmals auch schlechtesten – zumindest im Verhältnis zum deutschen Neubau-Standard. Das heißt: Auf eine hohe Qualität von Bauten wurde in Britannien noch nie sonderlich viel wert gelegt.
Unzählige Häuser sind bis heute einfach verglast, eng und alt, weder groß einbruchssicher, noch energieeffizient. Auch fehlt häufig die komplette moderne Infrastruktur. Die einzige Gewinner von steigenden Immobilienpreisen waren meist die reichen Spekulanten. Derzeit geht das britische Finanzministerium davon aus, dass die Immobilienpreise auf der britischen Insel zwischen 10% und 18% sinken könnten. Das wäre in etwa so viel, wie die Preise in den vergangenen Jahren gestiegen waren.
Einige meinen, selbst wenn die Immobilienpreise in Großbritannien nun um 20% sinken würden, wäre das immer noch zu wenig, da britische Immobilien schon heute Bestandteil einer Immobilienblase wären. Nach Schätzung eines britischen Immobilienmakler-Verbandes, der National Association of Estate Agents (NAEA), könnten in London die Immobilien als Folge des Brexit im Schnitt um 7.500 Britische Pfund an Wert verlieren.
Ob der Brexit Folgen auf den britischen Arbeitsmarkt hat, wird die Zukunft ebenfalls zeigen. Einige meinen, die Arbeitslosigkeit könne weiter steigen, gleichzeitig aber den Druck auf das Lohnwachstum mildern, dass die Löhne also zwischen 2,8% und 4% sinken könnten. Das würde bedeuten, dass die durchschnittliche Kaufkraft von Arbeitern oder Angestellten um durchschnittlich 780 Pfund sinken würde.
Nach einer Prognose des britischen „Nationalen Instituts für Sozial- und Wirtschaftsforschung“ (NIESR) könne in den nächsten Jahren der Brexit für Familien im Schnitt ein wirtschaftlicher Verlust in Höhe von 2.771 Pfund bedeuten.
Eine Option könnte für Großbritannien sein, dass es trotz eines offiziellen EU-Austritts Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) bleibt. Formal kann Großbritannien sowieso erst in zwei Jahren komplett aus der EU austreten.
Da die Urlaubszeit vor der Türe steht, ist ebenfalls Fakt: Urlaub auf dem europäischen Festland wird für die Briten durch die Abwertung des Pfund gegenüber dem Euro deutlich teurer. Nach Schätzungen des britischen Premiers David Cameron könnte ein achttägiger Urlaub auf dem europäischen Festland künftig gut 230 Pfund für eine vierköpfige Familie mehr kosten.
Bereits heute kündigen die beiden Billigfluglinien Easyjet und Ryanair an, Flüge würden für Briten künftig teurer. Grund: Als Nicht-EU-Mitglied müssten sich die Fluglinien strengeren Regeln der EU unterwerfen, die mit hohen Kosten verbunden seien. Ein Kostenanstieg sieht hingegen die IAG, der Besitzer der nationalen Fluglinie British Airways, nicht.
Als Gewinner des Brexit könnten die British Telekom und Vodafone hervorgehen. Sie frohlockten bereits, die in der EU zwingend vorgeschriebene Absenkung für Roaminggebühren würde für die Briten dann künftig nicht mehr unbedingt gelten. Dies gilt sowohl für Anrufe von der britischen Insel aufs europäische Festland, als auch für Anrufe von EU-Ländern nach England, Nordirland oder Schottland.
Gut möglich aber, dass die britische Regierung von sich aus die eben erst in Kraft getretenen Regeln für die Streichung von Roaminggebühren beibehält. Die Macht hätte sie nach wie vor.
Kommentar Brexit: Abstimmung war ein Himmelfahrtskommando, angetrieben durch momentane Emotionen
Fest steht: Die Volksabstimmung zum Brexit, herbeigeführt durch den britischen mittlerweile zurückgetretenen Premierminister David Cameron (Torys), war ein Himmelfahrtskommando.
Ohne Not setzte er die Frage rund um eine weitere EU-Mitgliedschaft von Großbritannien emotionalen Schwankungen von Millionen Briten aus, die durchaus heute so und morgen so abgestimmt hätten – je nachdem, wie gerade die Meinungsmache in den Massenmedien läuft. Denn politische Schwankungen, auch emotionale, sind Bestandteil von Demokratien. So sind nun mal Menschen. Einerseits war das Referendum ein mutiger basisdemokratischer Schritt. Andererseits war es auch selbstmörderisch. Diskussionswürdig ist vor allem das Motiv zum Referendum:
Cameron ging es beim Brexit-Referndum weniger um Basisdemokratie, als vielmehr darum, reaktionäre Politiker seiner eigenen Fraktion, die immer noch vom British Empire ohne die „Europäer“ träumen, schachmatt zu setzen. Das ging gründlich daneben. Dabei hätte er hier durchaus von der Queen lernen können, wie man emotionale Strömungen, die gegen einen gerichtet sind, auch mal durch Stillhalten überleben kann.
Denn 1997 drohte der Stuhl der Queen als Folge des Todes von Lady Diana ernsthaft zu wackeln. Hätte man damals eine Volksabstimmung zur Queen und britischen Monarchie gemacht, wäre sie wohl vom Thron gefallen – und mit ihr die Tausend Jahre alte britische Erbmonarchie. Heute sitzt sie wieder stärker denn je auf ihrem Thron und ermöglicht so ihren Erben ein bestelltes Haus zu übergeben.
Das jahrzehntelanges Aufbauprojekt Europäische Union wurde zum Spielball reaktionärer britischer Politiker gemacht, angeführt vom ehemaligen Londoner Oberbürgermeister Boris Johnson. Er hetzte in seiner früheren journalistischen Laufbahn seit Ende der 1980er Jahre unaufhörlich gegen die EU. Jetzt ging seine Saat auf. Dennoch gibt es auch auf Seiten der EU genügend Gründe, die Probleme, die zum Brexit geführt haben, endlich anzugehen:
An erster Stelle steht dabei das unsägliche und seit Jahrzehten kritisierte Demokratiedefizit der Europäischen Union. Es kann und darf künftig nicht mehr so sein, dass beispielsweise die zentrale Frage, ob nun ein Land Mitglied in der EU wird oder nicht nur von einigen Regierungschefs beantwortet wird. So etwas muss unter transparenter Darlegung aller wirtschaftlichen und politischen Folgen von den Europäern in Volksabstimmungen künftig entschieden werden. Aufhören muss die Abzocke der EU-Parlamentarier auf Kosten der europäischen Steuerzahler.
Es kann nicht angehen, dass ein rumänischer Europaparlamentarier 2000% mehr verdient, Dank der üppigen Brüsseler Spendierhosen, als sein Landsmann. Dringend reformbedürftig ist auch die 30.000 Mitarbeiter umfassende EU-Bürokratie-Krake.
Im Schnitt bezahlen die für die EU Arbeitenden nur 3% Steuern auf Gehälter, von denen man selbst in Deutschland nur träumen kann. Selbst einfache Bibliothekare erhalten in der EU Gehälter zwischen 8000 und 10.000 Euro monatlich – faktisch steuerfrei.
Ebenfalls beendet werden muss die Erbmentalität in der EU-Bürokratie. Tausende Mitarbeiter der EU sind faktisch europaweit einmalig hoch bezahlte Beamte, die weder demokratisch kontrolliert werden, noch jemals gekündigt werden können. Auch hier gilt: Das ist Abzocke und Ausbeutung der 500 Millionen normalen EU-Bürger.
Denn es sind britische, französische, griechische oder deutsche Putzfrauen, die das Geld für die Europaparlamentarier oder die Tausenden Brüsseler EU-Mitarbeiter durch hart verdiente Steuern bezahlen müssen. Nach nur einer Legislaturperiode – also nach fünf Jahren – ist ein heutiger Europarlamentarier bereits Einkommensmillionär. So hoch sind die Diäten. Das widerstrebt Millionen Bürgern zu Recht in ihrem Gerechtigkeitsempfinden.