Wer nichts hat, dem kann man eigentlich auch nicht in die Tasche fassen. Für die Regierung von Indien ist die Bargeldreform eine schwierige Entscheidung. (Bild: pixabay.com | CC0 Public Domain)
Wer nichts hat, dem kann man eigentlich auch nicht in die Tasche fassen. Für die Regierung von Indien ist die Bargeldreform eine schwierige Entscheidung. (Bild: pixabay.com | CC0 Public Domain)

In einer einmaligen Nacht- und Nebelaktion hatte die indische Zentralregierung Ende November 2016 fast das komplette indische Bargeld, alle 500 und 1000 Indischen Rupien-Scheine, als ungültig erklärt. Seitdem darf mit dem Geld nicht mehr bezahlt werden. Bis zum 31. Dezember 2016 hatten die Inder Zeit, den Großteil ihres Bargeldes in Form von 500 Rupien (6,93 Euro) und 1000 Rupien-Scheinen (13,85 Euro) entweder über Bankkonten umzutauschen oder auszugeben. Betroffen waren letztlich 80 bis 86 Prozent des gesamten Bargeldes, welches in Indien im Umlauf ist.

Jetzt wurde ein weiteres Zeitfenster bis Ende März 2017 erlassen, in welchem alte Banknoten in die neuen 2000 Rupien-Scheine umgetauscht werden können. Ausländern wird bis Ende Juni 2017 Zeit gegeben. Wer danach noch mit alten Banknoten in Indien erwischt wird, begeht eine Straftat.

Doch ist das Umtauschen des Bargeldes in Indien für Millionen Bürger gar nicht so einfach. Verfügten doch nach Angaben der Weltbank über 50 Prozent der Inder seit Jahrhunderten bis heute über gar kein Bankkonto.

Hunderte Millionen Bürger sind zudem Analphabeten. Sie haben noch aus der Kolonialzeit Angst vor den höheren Kasten. Dies führt wiederum dazu, dass sie, wo immer es geht, den höheren Kasten, also auch den Inhabern von Banken, fernbleiben.

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Betroffen sind also Hunderte Millionen Inder, die gezwungen werden, ihr oft über Jahre notdürftig Erspartes loszuwerden. Die Alternative zum gewohnten häuslichen Bargeld-Verstreckt lautet, alles Geld zur Bank zu bringen oder eben letztlich enteignet zu werden und obendrein kriminalisiert zu werden.

Hinzu kommt: In vier von fünf indischen Ortschaften gibt es überhaupt keine Banken. Oft gibt es weder Busse noch Bahnlinien in den nächsten Ort. Das macht den Geldumtausch für Millionen Inder faktisch unmöglich.

Mit der Bargeld-Aktion geht Indien einen ungewohnt radikalen und wenig humanen Weg. Der Indian Express schreibt, dass Präsident Pranab Mukherjee Ende Dezember 2016 erklärt habe, dass jeder, der nach dem 31. Dezember noch die alten 500 oder 1000 Rupien-Scheine über einem erlaubten Kontingent halte, eine Straftat begehe.

Ursprünglich hatte die indische Regierung sogar eine Gefängnisstrafe von vier Jahren für jeden geplant, der mehr als 10 der alten Banknoten in seinem Haus hat, damit bezahlt oder solches Geld entgegennimmt.

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Das ist zwar vom Tisch, aber der Straftatbestand bleibt. Bis zu fünf Mal der Summe, die ein Inder in den alten Noten hält, kann als Strafe verhängt werden.

Reisen Ausländer ab Juli 2017 mit alten Rupien ins Land, begehen auch sie eine Straftat. Sie könnten zum Beispiel wegen des Verdachts der angeblichen Terrorismus-Finanzierung verhaftet werden oder zu hohen Geldbußen verurteilt werden. Dies lässt sich dem Indian Express entnehmen.

Das Mindestbußgeld ist auf 10.000 Rupien festgesetzt, also 138,57 Euro. Dies entspricht einem Durchschnittslohn eines Inders. Es wäre so, als ob Deutsche, die noch alte Deutsche Mark zu Hause hätten, mit Strafen von mindestens 3000 Euro belegt würden. Lediglich Wissenschaftler dürften zu Forschungszwecken weiterhin bis zu 25 der alten Rupien-Scheine in Archiven halten, führt der Indian Express weiter aus.

Selbst den 500 Millionen EU-Bürgern ist es bis heute gestattet in ihren Landeszentralbanken Bargeld aus der Zeit vor der Einführung des Euros (2001) umzutauschen. Zwar müssten beispielsweise Deutsche, die noch über alte Lira verfügen, dieses Geld in der Römischen Zentralbank in Euro tauschen. Doch immerhin ginge es noch.

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Die offizielle Begründung der indischen Regierung für den Bargeldeinzug lautete: Mit der Bargeldreform und dem Einzug fast des gesamten Bargeldbestandes wolle man die Korruption bekämpfen, Terror und den exzessive Umlauf von Falschgeld eindämmen. Das erklärte zumindest Indiens Premierminister Narendra Modi.

Ganz anderes berichtet aber beispielsweise Petra Sorge Ende November im Magazin Cicero:

„Ein brutales Sozialexperiment: Warteschlangen, Hamsterkäufe, Unruhen und erste Tote: In Indien kann man dieser Tage studieren, was passiert, wenn eine Regierung im Hauruck-Verfahren Bargeld sperrt. Der ‚Schlag gegen die Korruption‘ trifft nicht die Schwarzarbeiter, sondern die Schwächsten.“

Seitdem sind weitere Wochen ins Land gegangen. Und die Krise hat sich verschärft.

Zudem monieren Kritiker: Das Problem seien nicht die Ärmsten, welche auf Grund von Misstrauen, kein Bankkonto hätten und ihr Geld, wie seit Jahrhunderten, unterm Kopfkissen oder im Garten versteckten.

Vielmehr basiere Indiens größtes Problem der Korruption oder der Finanzierung von terroristischen Banden auf eher Wohlhabenden oder gar Reichen, welche jedoch so oder so ihr Geld im Ausland in Offshore-Inseln versteckten.

Alleine in den Panama-Papers werden fast 300 Inder namentlich aufgeführt, die über Briefkastenfirmen einen Teil ihres Vermögens verwalteten. Viele davon dürften das allerdings legal machen.

Für Indien bedeutet der Bargeldeinzug jedenfalls „die radikalste Finanzmarktmaßnahme“ in den vergangenen 70 Jahren (Cicero).

Indien sah sich unter Druck, da das Land auf Platz 76 der am wenigsten korrupten Länder weltweit ist. Dies behauptet zumindest der Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International.

Die hohe Korruptionsrate bringe Indien auch bei Refinanzierungsplänen des Staates international in hohe Bedrängnis, monieren indische Politiker. Immerhin gibt es Behauptungen, wonach nur rund jeder 100. Inder angeblich sein Geld überhaupt gesetzeskonform versteuere.

Doch trotz radikaler Bargeldreform gibt es erste Berichte, dass auch die neuen 2000 Rupien-Scheine, welche umgerechnet den Wert von 27,70 Euro haben, von Fälschern nachgemacht würden und wie die alten Scheine sehr leicht unters Volk gebracht würden.

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Von Tim

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