Das gibt es wohl weltweit fast nur in der Schweiz: Dass die Bevölkerung per Volksbefragung dazu befragt wird, wie eine Steuerreform auszusehen hat und ob der Vorschlag von Politikern dazu gutgeheißen wird, oder nicht.
Jedenfalls haben die Schweizer nun abgestimmt. Von den nur 46 Prozent der Schweizer, welche zur Volksabstimmung rund um die Unternehmenssteuerreform III gingen, lehnten 59,1 Prozent die geplante Steuerreform für die Schweiz ab.
Statistisch bedeutet dies, dass eigentlich nur rund 28 Prozent der Schweizer wirklich aktiv die Steuerreform in der Volksbefragung nicht wollen. Die überwiegende Mehrheit der Schweizer war erst gar nicht zur Wahlurne gegangen, da ihnen das Thema offensichtlich egal war.
Die Abstimmung bedeutet nun: Schweizer Unternehmer müssen künftig im schlimmsten Falle für ihre Unternehmen noch mehr Steuern bezahlen, als schon jetzt fällig werden.
Das Schweizer Steuersystem sieht zwar bislang hohe Steuersparmöglichkeiten und Steuerspartricks durch internationale Family Offices oder Holdings vor, nicht aber direkt für Schweizer Unternehmer, deren Hauptwohnsitz und Stammsitz in der Schweiz selber ist.
Im Schweizer Fernsehen habe nach Angaben des Nachrichtenportals „Schweizer Bauer“ der in der Schweiz bekannte politische Kommentator Claude Longchamp gesagt, wonach sich Gegner einer geringeren Unternehmenssteuer für Schweizer Unternehmer, die „sowieso auf der Kippe stehende Stimmung“ zunutze hätten machen können.
Die Unternehmenssteuerreform der Schweiz hatte auch zum Ziel, die international kritisierten Steuerprivilegien für ausländische Unternehmen mit Sitz in der Schweiz zu beenden.
Da die Schweizer Sozialdemokraten aber verhindern wollten, dass gleichzeitig Schweizer Unternehmer weniger Steuern bezahlen, hatten die Schweizer Sozialdemokraten eine Volksbefragung initiiert und sich dabei einer generell in westlichen Gesellschaften vorhanden Anti-Unternehmer-Stimmung bedient.
swissinfo.ch schreibt angesichts der Abstimmung mit Blick auf den Schweizer Finanzminister:
„Finanzminister Ueli Maurer sagte… das deutliche Nein bedinge eine gründliche Analyse unter Einbezug der Kantone. Es sei ein Fakt, dass die Privilegierung ausländischer Statusgesellschaften nun bestehen bleibe, die Schweiz sich gleichzeitig aber international zur Aufhebung dieser Privilegierungen bis zum 1. Januar 2019 verpflichtet habe.“
Nun gehe man davon aus, dass es mindestens vier weitere Jahre dauere, bis eine Steuerreform in der Schweiz auf die Beine gestellt worden sei, schreibt swissinfo weiter.
Der Schweizerische Städteverband erklärte per Medienmitteilung, dass man nun zügig eine neue Steuerreform angehen müsse. Dabei müsse stärker auf die Interessen von Städten und Gemeinden Rücksicht genommen werden.
Zum einen bedeute dies, dass die Gemeinden an den Ausgleichszahlungen des Bundes beteiligt werden müssten. Zum anderen solle die Reform auch Schweizer Unternehmer stärken. Vor allem solle auf eine zinsbereinigte Gewinnsteuer verzichtet werden und eine angemessene Gegenfinanzierung vorgelegt werden.
Branchenübergreifende Schweizer Wirtschaftsverbände sind enttäuscht
Die branchenübergreifenden Verbände von Schweizer Unternehmen äußerten sich teils ebenfalls zur Volksabstimmung.
Allerdings war auch am Montagefrüh der Homepage des Schweizer Arbeitgeberverband noch keine Stellungnahme im Medienbereich bezüglich des Ausgehens der Steuerreform-Volksbefragung zu finden. Stattdessen waren Stellungnahmen wie „Frauen im Verwaltungsrat“ oder „Neue Stimme für die italienischsprachige Schweiz“ vom 2. Februar 2017 zu lesen.
Weitaus auskunftsfreuiger zeigte sich ein anderer branchenübergreifender Schweizer Wirtschaftsverband, nämlich economiesuisse. Der Verband schreibt:
„Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse hat mit Bedauern zur Kenntnis genommen, dass die Unternehmenssteuerreform III in der Stimmbevölkerung keine Mehrheit gefunden hat. Das Abstimmungsresultat darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Reform zwingend nötig ist. Politik und Wirtschaft sind nun aufgerufen, so rasch wie möglich eine neue Vorlage auszuarbeiten, die den unterschiedlichen Voraussetzungen in den Kantonen Rechnung trägt, international akzeptiert ist und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz sicherstellt.“
Des Weiteren erklärte economiesuisse: Die Unternehmenssteuerreform müsse nun unter hohem Zeitdruck neu aufgesetzt werden.
Der Volksentscheid „ändere aber nichts an der Tatsache, dass das „heutige System der Unternehmensbesteuerung nicht aufrechterhalten werden“ könne. In der Schweiz tätige Unternehmen „müssten Gewissheit haben, dass ihre Besteuerung international akzeptiert“ werde. Ein Systemwechsel sei „darum unvermeidbar“.
Zum führte der Verband economiesuisse in seiner Medienmitteilung aus:
„Mit der nun abgelehnten Reform hätte der Bund den Kantonen eine Reihe von steuerlichen Instrumenten in die Hand gegeben, um auch nach Abschaffung der Statusgesellschaften als Wirtschaftsstandort attraktiv bleiben zu können. Die Vorlage beinhaltete sehr unterschiedliche, jedoch allesamt von der OECD und der EU akzeptierte Instrumente. Sie berücksichtigte damit die sehr unterschiedlichen Ausgangslagen in den einzelnen Kantonen. Ausserdem hätte der Bund einen finanziellen Ausgleich zur Verfügung gestellt. Auch bei einem neuen Anlauf wird man auf diese zentralen Elemente nicht verzichten können.“
Der Schweizerischer Gewerbeverband sgv, ebenfalls ein Dachverband, hatte bereits im Vorfeld zur Steuerreform-Abstimmung gesagt:
„Ein Scheitern der Unternehmenssteuerreform hätte deutlich gravierendere Folgen als bislang angenommen. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie von BAK BASEL. Auf dem Spiel stehen bereits kurzfristig 194’000 Stellen und Steuereinnahmen bei Bund, Kantonen und Gemeinden in Milliardenhöhe. Bislang kaum bekannt: Auch bei den Sozialversicherungen drohen Einnahmenverluste von über 5 Milliarden Franken.“
Ebenfalls im Vorfeld der Steuerreform-Volksbefragung hatte der Schweizerischer KMU Verband („Association Suisse des PME“) dafür geworben, für die Reform zu stimmen:
„Schon seit vielen Jahren kritisieren die OECD und andere internationale Organisationen die kantonalen Steuerprivilegien der Domizil-, gemischten und reinen Holdinggesellschaft, die auch Zinserträge auf Darlehen an ausländische Tochtergesellschaft kantonal steuerfrei lässt.“
Zudem schreibt der KMU Verband SKV bereits am 16. Januar 2017, wonach „diese Art von Unternehmen zu „höheren verbleibenden Sockelsteuern in den internationalen Doppelbesteuerungsabkommen für Dividenden, Zinsen und Lizenzen der normalen Industrie und Unternehmen“ führten.
Bei einem Ja zur Unternehmenssteuerreform 3 wären diese „kantonalen Steuerprivilegien abgeschafft“ worden, ist sich der KMU Verband sicher.
Der „Schweizerischer Gewerbeverband sgv“ führt hingegen zum Scheitern der Steuerreform für Unternehmen aus:
„Die Dividenden werden leider höher besteuert, nämlich statt mit 50% (Kantons- und Gemeindesteuern) oder 60% (Bund) neu zu 70%. Je nach individueller Situation lohnt es sich den Bilanzgewinn in den Jahren 2016, 2017 und 2018 soweit es die gesetzlichen Vorschriften (OR 671) zulassen, noch in Form von Dividenden an die Gesellschafter einer GmbH oder die Aktionäre einer AG auszuschütten.“
Der Schweizerischer KMU Verband verweist hingegen darauf, wonach die „schweizerische Volkswirtschaft unter anderem daher erfolgreich“ sei, da „wir zu den innovativsten Ländern der Welt gehören“. Die Unternehmenssteuerreform lasse deshalb „einen Zuschlag zu den Forschungs- und Entwicklungskosten in der Steuererklärung von bis zu 50% zu“.
Auch die Patentbox „mit einer milden Besteuerung der Lizenzerträge aus Forschung und Entwicklung“ mache diese in der Schweiz attraktiv.
Da aber die reinen Holdinggesellschaften am 1.1.2019 bei einem Ja zur Unternehmenssteuerreform 3 „leider abgeschafft“ würden, „werden die der reinen Holding von ihren Tochtergesellschaften zufliessenden Darlehenszinsen neu leider besteuert.“
Das „Schütt aus-Hol zurück-Verfahren“ lohne sich, so der Schweizerischer KMU Verband, „nur noch zur Absicherung der Gewinne und strammen Führen der Tochtergesellschaften.“ Dies sei aber „nach wie vor betriebswirtschaftlich sehr sinnvoll“.
Der Schweizerischer KMU Verband erklärt, weiter:
„Auf den überschüssigen Eigenkapitalien wird neu ein Zins zum Abzug zugelassen. Dies voraussichtlich via separate Rubrik in der Steuererklärung. Die meisten kantonalen Finanzdirektoren und die meistern Parteien (Ausnahme SP, Linke) heissen die Unternehmenssteuerreform willkommen. Etwa ein Drittel des schweizerischen Bruttosozialproduktes werden von Grossfirmen und ihnen zuliefernden Klein- und Mittelbetrieben erzielt. Ein Teilverlust durch Sitzverlegung grosser Unternehmen ins Ausland wäre für die schweizerische Volkswirtschaft sehr schädlich. Die grossen internationalen schweizerischen Unternehmen bezahlen zurzeit rund 5 Milliarden Steuern, dies zusammen mit den ihnen zuliefernden Klein- und Mittelbetrieben.“
Deshalb müsse man bedenken, dass es „zudem um rund 150‘000 Arbeitsplätze“ gehe „und die damit verbundenen Einkommenssteuern.“
Daher, so der Schweizerischer KMU Verband, habe man sich nach Überlegungen und „Abwägung aller positiven und negativen Faktoren“ für ein klares Ja zur Unternehmenssteuerreform 3 entschieden gehabt.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB | USS („Union syndicale suisse“) beschäftigt sich derzeit zwar auch mit der Unternehmenssteuerreform, welche auf französch abgekürzt EIR III heißt. Die französischsprachige Medienerklärung geht aber allem auf das Zusammenspiel mit der Reform rund um die Altersvorsorge in der Schweiz ein.
In deutsch konnten wir die Medienerklärung leider nicht finden, da man scheinbar deutschsprachige Zielgruppen nicht unbedingt erreichen möchte.
EIR III steht im Französischen jedenfalls für „3e réforme de l’imposition des entreprises“, beziehungsweise auf deutsch für die „Reform der Körperschaftssteuer 3″, oder eben der „Unternehmenssteuerreform III“.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB | USS erklärt jedenfalls angesichts des Volksreferendums:
„Die Netto-Freisetzung des EIR III zeigt, dass eine allgemeine Einkommensteuersenkung zu Gunsten von Unternehmen finanziell für ihre Aktionäre gut passt, dass sie aber auf Kosten des Verkäufers, des Schreiners oder Lehrers geht, was nicht akzeptabel ist.“
Zudem schreibt der Gewerkschaftsbund, wonach die Schweizer Bevölkerung davon ausgehen müsse, dass sie bereits die zunehmend schwereren Lasten der erhöhten Versicherungsprämien (für die Altersvorsorge) zu bezahlen habe. Zudem führe die Steuerreform und Versicherungsreform wohl auch dazu, dass die sowieso schon hohen Mieten in der Schweiz wohl weiter steigen würden.
Deshalb sei es im Bereich der Altersvorsorgereform und Steuerreform in der Schweiz „richtig, dass der Bürger sich gegen ein politisches Projekt schwenkt, welches Unternehmen einseitig“ entlaste, dieses aber angeblich „auf Kosten der privaten Haushalte“ gehe.
Die Schweizer Unternehmen müssten, heißt es etwas populistisch weiter, „auch Steuern zahlen und finanziell zu öffentlichen Dienstleistungen und Infrastruktur beitragen“. Deshalb sollten die Kosten für die Rentenreform des EIR III „die Unternehmen alleine tragen“.