Streitpunkt Dorotheen-Hochhäuser. Hier soll der Dorotheenkai entstehen. Was die einen als Bereichung der Wohnkultur feiern, kritisieren andere als infrastrukturelle Katastrophe. (Bild: sr)
Streitpunkt Dorotheen-Hochhäuser. Hier soll der Dorotheenkai entstehen. Was die einen als Bereichung der Wohnkultur feiern, kritisieren andere als infrastrukturelle Katastrophe. (Bild: sr)

Gastkommentar von Dipl.-Psychologe und Stadtplanungsexperte Bernd Kielmann

Um die Jahrhundertwende vom 19. Jahrhundert ins 20. Jahrhundert gab es noch düstere Gängeviertel in Hamburg. In ihnen herrschte Armut. 1892 brach obendrein die Cholera aus.

Zugegeben diese Zustände drohen nun nicht im schicken Hamburger Stadtteil Winterhude. Dennoch ist es sinnvoll, sich vor Augen zu führen, dass eine Verdunkelung von Stadtteilen oder Straßenzügen immer dann droht, wenn die Bebauung zu eng gerät.

Das droht nun mit einem Bebauungsplan im Rahmen einer Nachverdichtung der 3 Hochhäuser in der Dorotheenstraße 14 bis 16 in Hamburg-Winterhude, welches die Robert Vogel GmbH & Co. plant.
Die Bürger und Anwohner ärgern sich darüber zu Recht, wie eine kürzliche Veranstaltung zu dem kritischen Plan einmal mehr zeigte.

Während der Ära  von Ole von Beust (CDU) kam der Wohnungsbau fast völlig zum Erliegen. Sein Haupt-Augenmerk lag auf Prestigeobjekte wie der Elbphilharmonie. Mit den Folgekosten dieses Prestige-Objekts wird die Hamburger Staatskasse bis heute belastet.

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Nachdem Olaf Scholz (SPD) erfolgreich die Regierungsarbeit in Hamburg aufnahm, machte er wenigstens den Wohnungsbau zur „Chefsache“.

Mit Erfolg. So ist der Wohnungsbau aus dem von Beustschen Dornröschenschlaf erwacht und es gibt in Hamburg wieder deutlich mehr Wohnraum, auch mehr Wohraumprojekte in Planung.

Bei allen Erfolgen von Olaf Scholz darf aber eine rasche Verbesserung des Wohnungsangebotes auf dem Hamburger Wohnungsmarkt nicht dazu führen, das man nun „mit dem Betonmischer“ durch Hamburg fährt und jede grüne Fläche zubetonieren lässt.

Viele Stadtteile in Hamburg zeichnen sich schon jetzt durch eine hohe Nachverdichtung aus mit der Folge, dass das Leben dort an Lebensqualität erheblich eingebüßt hat.

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Mit Schuld an dieser Entwicklung ist natürlich der hohe Individualverkehr, aber auch der Öffentliche Personennahverkehr in Form von Bussen.

Grund: Nach wie vor ist der Lärm, welcher von Verbrennungsmotoren in Autos oder Bussen ausgeht, unerträglich. Wir können nicht nur von Feinstaubbelastungen für die Umwelt und Menschen sprechen, sondern müssen ebenso den Lärm ganz oben auf die Agenda von Stadtentwicklungspolitik setzen.

Der einstmals schicke Mühlenkamp in Hamburg-Winterhude ist beispielsweise in den vergangenen 30 Jahren durch immer weiter zunehmenden Auto- und Buslärm infrastrukturell auf ein Niveau gebracht worden, welches gesundheitsschädlich ist.

Die Politik hat hier in Hamburg versagt. Beziehungsweise war sie nicht vorausschauend genug. Die Lösung hätte längst eine Quotenregelungen für Elektrofahrzeuge sein können, die deutlich leiser sind und damit weniger gesundheitsschädlich.

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Doch ob Bau-Chaos in Hamburg oder Auto-Chaos durch zu viel Lärm: CDU und SPD sind hier beide in der Pflicht und beide Parteien haben hier bislang kaum wegweisendes zu Stande gebracht.

Die Ursachen liegen dafür tief. Bereits in den 1970er Jahren hatte die SPD beispielsweise der Straßenbahn in der Hansestadt den Todesstoß verpasst. Dabei könnten diese heute in Form von Elektrofahrzeugen ein idealer Ansatz sein, um umweltfreundlich im Bereich der Emissionen und beim Lärm zu sein.

Ein besonders positives Beispiel ist die Elektro-Straßenbahn von Straßburg. Sie verbindet das Europaparlaments-Viertel mit der Innenstadt der wunderschönen Elsässer Metropole.

Gute Beispiele hierfür sind auch die Straßenbahnen im französischen Orléans oder Nantes, welche obendrein ohne lästige Oberleitungen auskommen.

Stadtplanung ist mehr, als Fahrradwege bauen und für Pkw-Stellplätze zu sorgen. Es ist auch mehr, als Dreifachverglasung in neuen Häusern vorzuschreiben, um Energie zu sparen.

Stadtplanung muss als oberstes Ziel haben, den Lebensraum zu erhalten und Luft zum Atmen zu lassen und „schöne Aussichten“ nicht nur als Straßennahmen zu vergeben.

Wenn in den Stadtteilen, in denen schon jetzt eine große Wohndichte herrscht, wie eben in Hamburg-Winterhude, eine weitere Verdichtung fortgesetzt wird, dann bekommen wir auch in Hamburg einen unschönen Hochhaus-Effekt. Er hat schon so vielen Städten den Charme über Generationen hinweg genommen und die Menschen neurotisiert.

Woody Allen hat mit dem Film „der Großstadtneurotiker“ dieser Entwicklung ein Denkmal gesetzt.

Als Psychotherapeut erlebe ich zunehmend Menschen, die zu mir in die Praxis kommen und erzählen, wie ausgebrannt sie die Großstadt mit den oben beschriebenen Phänomenen mache. Eben Großstädte wie Hamburg.

Doch nun zum Mühlenkamp im  einstmals schönen Hamburger Stadtteil Winterhude: In der überfüllten Aula in der Humboldstraße in Hamburg haben am 6. April 2017 viele Mühlenkamper auf einer öffentlichen Sitzung des Bauausschusses ihren Unmut über einen unglaublich dreisten Hochhausplan geäußert.

Konkret geht es um drei bereits bestehende recht hässliche Hochhäuser in der Dorotheenstraße.

Sie stellen seit den frühen 1960er Jahren einen markanter Punkt im Stadtteil Winterhude dar.

Gebaut wurde fast in einem sozialistischen Stil nach Plattenbauschema F, wie man das sonst nur aus den Großwohnanlagen der 50er oder 60er Jahre kennt.

Die Häuser wurden rücksichtslos in ein Gebiet gequetscht, welches ansonsten eher von alten Jugendstilgebäuden, Stadtvillen oder sonstigen flacheren Mehrfamilienhäusern geprägt ist.

Erbaut wurden diese architektonischen Schandflecke damals von dem heute als Robert Vogel GmbH & Co. Kommanditgesellschaft firmierenden Unternehmen.

Obwohl in den Stadtteilen rund um die Alster keine solchen Hochhäuser gebaut werden durften, bekam Robert Vogel damals eine Sondergenehmigung.

Alternativ soll es damals Pläne gegeben haben in diesem Gebiet eine Blockbebauung vorzunehmen, die viel besser in das Stadtbild gepasst hätte.

Komischerweise willigte die Stadt in die Hochhäuser ein. Diese wurden in einem größeren Abstand gebaut, damit alle Wohnungen lichtdurchflutet wurden und die angrenzenden Anwohner nicht in einem Windschatten von Hochhäusern hausen müssen.

Es war das Credo der damaligen Architekten und Bauherrn, dass auch die unterste und dunkelste Wohnung noch „lichtdurchflutet“ sein sollte und die Anwohner ebenfalls die Sichtachse Richtung Alster genießen konnten.

Seit Jahren scharren nun Bauherren in einer Art Goldgräberstimmung in der Hamburger Innenstadt und im Gebiet der Hochhäuser an der Dorotheenstraße in Hamburg-Winterhude mit den Füssen.
Es gab nach meiner Kenntnis schon einmal einen Anlauf für eine Verdichtung in diesem Wohngebiet, die aber aufgrund des damals allgemeinen Widerstandes gegen diese Pläne auf Eis gelegt wurden.

Da nun Wohnungsnot herrscht, glaubt man wohl jetzt eine bessere Chance zu haben, solcherlei Pläne zu realisieren. Und wenn ich mich recht erinnere, dann wurden gegenüber den ursprünglichen Plänen für das Gebiet gleich noch ein paar Etagen (nun 6 bis zu 8 Geschosse) draufgesetzt.

Statt Bäume und Grünflache, soll jetzt die Profitabilität der Fläche erhöht werden. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn es nicht zu der überbordenden Verdichtung käme.

Es geht also um eine stärkere Bebauung eines Areals, das sowieso schon unter den wenig schmucken alten Hochhäusern leidet.

Im Rahmen eines Nachverdichtungskonzepts sollen die Hochhäuser in der Dorotheenstraße mit weiteren Wohntürmen zugebaut werden. Es sollen mutwillig Sichtachsen zerschlagen werden, um Platz für weitere circa 120 Wohnungen, verteilt auf 6 bis zu 8 Etagen, zu schaffen.

Mit circa neun Euro Mietpreisen kalt pro Quadratmeter hält sich das zwar in diesem Wohngebiet für Neuvermietungen in einem moderaten Level. Allerdings wird das ja vorsorglich auf zunächst fünf Jahre befristet.

Dennoch kann nun wahrlich nicht von einer günstigen Miete gesprochen werden. Für eine 70 Quadratmeter-Wohnung wären das immer noch gut 630,-Euro Kaltmiete. Zuzüglich Nebenkosten kann man wohl von einer Warmmiete von gut 830 Euro ausgehen.

Mit Strom (geschätzt 50 Euro), Telefon, Internet (geschätzt 40 Euro) und den Rundfunkgebühren (17,50 Euro), sprechen wir also schnell von einer monatlichen Mietbelastung eines Bürgers von bald 1000 Euro.

Natürlich muss man deshalb auch die Frage stellen: Und was ist dann nach den 5 Jahren der eigens eingezogenen Mietpreisbremse?

Ist das nur der Haken, über welchen man sich die Stadt Hamburg gewogen stimmen möchte, um hinterher umso mehr zuzulangen? Dass andere Vermieter mittlerweile eine Nettokaltmiete von 14 Euro bei Neuvermietungen verlangen, kann ja wohl kein Argument sein.

Das Resultat dieser Baupläne ist bislang: Es droht eine „Betonwand“ für die umliegenden Anwohner in Hamburg-Winterhude im Umfeld der Hochhäuser an der Dorotheenstraße in Hamburg.

Für die dort lebenden Bewohner könnte nach der Bebauung so etwas wie eine Art „Gängeviertelfeeling“ entstehen.

Es droht eine erhebliche Verschattung und viele Bewohner von angrenzenden Häusern haben keinen geschützten Blick mehr.

Ähnlich wie in „Nachtjackenviertel“, so nannte man die Gängeviertel, weil die Gebäude sehr eng beieinanderstanden, könnte es sein, dass sich die Nachbarn dann gegenseitig auf die Frühstücksteller schauen und die Minuten der Sonneneinstrahlen täglich abzählen.

Der Abstand bei den Dorotheenhäuser droht minimal zu sein und könnte teilweise grade den minimalen Mindestabstand von 10 Meter einhalten. Der idyllische Mühlenkampkanal wäre dann in einem wichtigen Gebiet zubetoniert. Bonjeur tristes für die nächsten Jahrzehnte.

Die langsam sich formierende Bürgerbewegung in Hamburg-Winterhude fordert deshalb von der Hamburger Stadtregierung und den zuständigen Baugremien:

Keine Nachverdichtungen in sowieso schon dicht bebauten und durch Autos und Busse lauten Wohngebieten. Also keine weitere Belastung von Regionen wie Hamburg-Winterhude rund um den Mühlenkamp und die Dorotheenstraße.

Nachverdichtungen müssen sehr sorgfältig geplant werden und zwar in Gebieten, welche das noch verkraften. Dazu gehört beispielsweise Bahrenfeld, wo das ja auch gemacht wurde. Es gehört aber mit Sicherheit kein enger Stadtteil wie Winterhude dazu.

Deshalb: Keine Nachverdichtung mit weiteren 120 Wohnungen, welche die stehende Infrastruktur unerträglich zusätzlich belastet, z.B. durch noch mehr parkplatzsuchende PKWs.

Ganz abgesehen davon wurde auf der Bürgerversammlung gesagt, wonach es angeblich keine Erweiterung der bestehenden Parkmöglichkeiten in den Wohntürmen an der Dorotheenstraße geben solle.

Ob die jetzige den Hochhäusern angeschlossene Parkplatzanlage aber für 120 weitere Wohnungen ausreichend wäre, ist ebenfalls noch nicht klar. Das Hamburger Abendblatt schrieb, wonach die „bestehende Tiefgarage mit 152 Plätzen abgerissen“ werden solle und „neu gebaut“ werde.

Fakt ist: Der irrwitzig enge Platz für Autos darf in Winterhude keinesfalls weiter verknappt werden durch  noch mehr Anwohner auf engstem Raum.

Es gibt sehr viele gute Argumente, warum eine zusätzliche Bebauung rund um die Hochhäuser in der Dorotheenstraße städteplanerisch Unsinn ist und als nicht akzeptable Zumutung der Anwohner angesehen werden muss.

Der Hamburger Senat und die Baubehörde sollten vielmehr an den Rändern von Hamburg schauen, oder in Kooperation mit den angrenzenden Bundesländern, ob nicht auf Ackerland, welches nicht dem Naturschutz unterliegt, attraktive neue Wohnungen gebaut werden können.

Dabei müssen natürlich die Architektur- und städtebaulichen Fehler der 50er, 60er, 70er und 80er vermieden werden.

Neben einer dem Menschen angemessenen Wohndichte, sollten eine gute Architektur und vor allem eine gute Infrastruktur dafür sorgen, dass nicht wieder hässliche Schlafstädte entstehen, in denen sich die Menschen nicht wohlfühlen.

Besonders negative Beispiele sind die Großsiedlungen Mümmelmannsberg oder Osdorfer Born.

Es ist das Bestreben der kritischen Anwohner am Mühlenkamp die Robert Vogel KG dazu zu bewegen, ihr Bauvorhaben an der Dorotheenstraße kritisch zu hinterfragen und die Stadt Hamburg dazu zu zubewegen, diese Pläne zu verhindern.

Die Robert Vogel GmbH & Co. Kommanditgesellschaft sollte ihr Knowhow und ihr Geld nutzen, um sich um andere Liegenschaften im Hamburger Raum zu bemühen, welche weniger problematisch für die Anwohner wären.

Damit würde auch das mächtige Immobilienunternehmen Robert Vogel einen wertvollen Beitrag zur Verringerung der Wohnungsnot in Hamburg leisten.

Schon heute hält das Unternehmen Robert Vogel 1.900 Wohnungen und circa 100.000 m² Gewerbeflächen „in den besten Lagen Hamburgs“, wie der Immobilienhai selber auf seiner Homepage ausführt.

Vielleicht sollte Robert Vogel einmal daran gehen, auch in nicht „besten Lagen“ von Hamburg dazu beizutragen, dass diese zu besseren Wohngegenden werden.

Anmerkung

Dieser Text wurde vor Veröffentlichung komplett der Geschäftsführung der Robert Vogel GmbH & Co. zur Kenntnis gegeben mit der Bitte um Anmerkungen, beziehungsweise Korrekturen, sollten in dem Text falsche Dinge stehen.

In einer am Mittwoch den 12. April 2017 bei steuerratschlag.eu eingegangen Stellungnahme von Madeleine Beil für die Robert Vogel GmbH & Co. teilte diese mit:

Die in Planung befindlichen umfangreichen Wohnkomplexe für die Dorotheenstraße rund um die bestehenden Hochhäuser seien keine Komplexe für Eigentumswohnungen.

Vielmehr blieben diese Wohnungen (vorerst?) bei der Robert Vogel GmbH & Co. Außerdem lege man Wert darauf, dass eine Nettokaltmiete von 9 Euro pro Quadratmeter nicht hoch sei.

Zudem wird auf weitere Informationen auf www.dorotheenstrasse.hamburg verwiesen.

Dort führt der Bauherr aus, man biete auf dem neuen „DorotheenKai“ Dorotheenstraße 10-16 in Hamburg-Winterhude ideale Wohnungen für „Familien, Paare, Singles oder Studenten“.

Das sehen offensichtlich Anwohner anders. Noch ist aber über den „DorotheenKai“ nicht das letzte Wort gesprochen.

Der Autor, Dipl.-Psychologe und Dipl.-Volkswirt Bernd Kielmann steht gerne für weitere Diskussionen auch mit der Robert Vogel GmbH & Co. zur Verfügung. Kielmann selber engagiert sich seit vielen Jahren als SPD-Mitglied in der SPD. Kontakt über: redaktion@steuerratschlag.eu.

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Von Herbert

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