Für die Deutschen ein guter Whistleblower, für die Schweizer ein Krimineller: Der Verkäufer einer Steuer-CD mit geklauten Kundendaten an das Bundesland NRW. (Bild: pixabay.com | CC0 Public Domain)
Für die Deutschen ein guter Whistleblower, für die Schweizer ein Krimineller: Der Verkäufer einer Steuer-CD mit geklauten Kundendaten an das Bundesland NRW. (Bild: pixabay.com | CC0 Public Domain)

Es ist eine unglaubliche Geschichte und im Angesicht eines aktuellen Gerichtsurteils lohnt sich ein Rückblick, um zu verstehen, warum ein Schweizer und Österreicher Gericht nun entschieden hat: Von den 2,5 Millionen Euro aus NRW an den Verkäufer einer Steuer-CD kriegen die Erben nichts.

Das größte deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen bezahlte vor sieben Jahren im Jahr 2010 an einen Kriminellen für den Diebstahl von Bankdaten bei der Schweizer Großbank Credit Suisse (CS) ein Honorar in Höhe von gigantischen 2,5 Millionen Euro.

Koordiniert wurde der Deal von oberster deutscher Stelle – vom damaligen SPD-Finanzminister in NRW. Er hatte die Jagd auf kriminelle Steuerhinterzieher, welche in Ländern wie der Schweiz über Nummernkonten hofften unentdeckt zu bleiben, zur Staatsräson erklärt.

Dass Diebstahl staatlich befördert finanziell üppig honoriert wird, ist eine Praxis, welche früher in Deutschland, wie in vielen anderen Demokratien, undenkbar gewesen wäre. Doch genau das hatte der SPD-Finanzminister gemacht.

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So gehört es eigentlich zu einem Grundrechtsprinzip demokratischer Staaten, dass illegal erworbene oder über Bestechungsgelder eingekaufte Beweise strafrechtlich vor demokratischen Gerichten nicht genutzt werden dürfen.

Dieses Strafrechtsprinzip gilt nach wie vor. Seit einigen Jahren in einigen Ländern aber eben nicht mehr für das Steuerrecht.

Wie so oft, sind ausgerechnet die USA hier an vorderster Front, wenn es um die Erosion demokratischer Bürgerrechte und Staatsprinzipien geht.

Wenn Staatsprinzipien über den Haufen geworfen werden

So führten die USA vor wenigen Jahren unter der Demokratischen Partei und dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama ein neues Gesetz ein. Seitdem ist in den Vereinigten Staaten von Amerika krimineller Datendiebstahl unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich erlaubt.

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Die USA begründeten dies damit, man wolle Whistleblowertum ermutigen. Dies gelte aber nur, solange es den Zielen und Zwecken des Staates dient. Wenn also Straftaten, wie Steuervergehen, in Unternehmen oder bei Privatleuten aufgedeckt werden.

Nach wie vor unter Strafe steht aber, wenn ein solcher „Whistleblower“ Unrechts-Zustände direkt im US-Staat aufdeckt. Hierauf drohen, wie bislang, mehrmalige lebenslange Haftstrafen. Wie im Falle von NSA-Whistleblower Edward Snowden, welcher sich seit Jahren vor der US-Justiz in Russland verstecken muss und dort Asyl erhalten hat.

Bereits gut 100 Millionen Euro schütteten US-Behörden an eigentlich kriminelle Informanten aus, welche die US-Behörden dann aber als Whistleblower feiern. Als Whistleblower aber eben nicht gegen Unrecht beim Staat, sondern in der Privatwirtschaft oder bei Privatleuten.

Eine Umkehrung des Rechtsprinzips also: Tue Kriminelles um Kriminelles aufzudecken, wird also plötzlich nicht nur hoffähig, sondern vom Staat erwünscht, sofern es ihm dient. Denn die Hoheit zu definieren, was aktuell als kriminell bewertet wird und was nicht, nimmt sich ja der Staat.

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Dass der gleiche Staat Jahre später seine eigene Sichtweise revidieren kann und dann aus Unschuldigen plötzlich Schuldige definiert – auch das sehen wir derzeit immer wieder in der deutschen Rechtsprechung.

Der Staat nimmt sich das Recht heraus, seine eigene Sichtweise nach Jahren zu revidieren

Beispielsweise im Umgang mit ehemaligen nationalsozialistischen Mitarbeitern. Sie waren über Jahrzehnte von deutschen Gerichten frei gesprochen worden und werden nun – 70 Jahre nach Kriegsende – plötzlich von deutschen Gerichten nun doch als Schuldige Verurteilt.

Dies gilt selbst für solche Fälle, wo keine individuelle Schuld nachgewiesen werden kann. Die Gerichte begründen dies damit, wonach man nun 70 Jahre nach Ende von WWII nun doch eine kollektive Schuld als strafrechtsfähig anerkenne. Ein Prinzip, welches zuvor Generationen von Richtern abgelehnt hatten (da man sonst das ganze deutsche Volk hinter Gitter hätte bringen müssen).

Die in Deutschland übliche Sichtweise auf Steuer-CD-Verkäufer stößt im deutschen Nachbarland Schweiz jedenfalls so nicht auf offene Ohren. Deshalb wehrte sich die Schweiz seit 2010 gegen eine Honorarzahlung in Höhe von 2,5 Millionen Euro, welche das größte deutschen Bundesland, Nordrhein-Westfalen, für eine Steuer-CD bezahlt hatte.

Auf dieser CD hatte ein Datendieb bei der Schweizer Großbank Credit Suisse eben Kundendaten von über 1000 deutschen Bankkunden notiert.

Zuvor hatte der Dieb die Daten heimlich handschriftlich aus dem Computersystem der Credit Suisse akribisch abgeschrieben.

Wobei sich Beobachter bis heute wundern, wie es überhaupt möglich war, dass ein Bankmitarbeiter unbemerkt umfangreichen Zugriff auf 1000 Konten haben konnte und die Zeit, heimlich von 1000 Bankkunden tausende Zahlen und Daten handschriftlich herauszuschreiben.

Das geht eigentlich nur, wenn es mangelndes Controlling in einer Bank gibt. Und vor allem mangelnde Sicherheitsvorkehrungen. Klassisches Führungsversagen also.

Der mit einem Millionen-Honorar von NRW geköderte Steuer-CD-Lieferant war Österreicher. Auch wenn er sich über das Millionenhonorar gefreut haben dürfte, so war er doch nicht schnell genug aus der Schweiz verschwunden.

Er war kurz nach dem Datendiebstahl verhaftet worden und in der Schweiz in U-Haft genommen worden. Dort hatte er sich das Leben genommen, da ihm eine jahrelange Haft bevorstand.

Der SPD-Finanzminister war dann plötzlich nicht mehr da, um Hilfe zu geben. Wie auch? Die Schweizer Behörden fühlten sich von NRW gelingt, getäuscht, hintergangen und um demokratische Grundrechtsprinzipien gebracht.

Delikterlöse haben es in sich

Nach dem Selbstmord des Datendiebs versuchten dessen Erben die 2,5 Millionen Euro Honorar an den Informanten zu erhalten. Doch dies ist nun endgültig passee. Denn das Schweizer Bundesgericht hat entschieden, dass das von NRW auf Bankkonten überwiesene Honorar nicht an die Erben geht, sondern an die Schweiz.

Dabei hatten sich die NRW-Finanzwächter extra bemüht, ihre eigenen dubiosen Honorarzahlungen an den österreichischen Steuer-CD-Lieferanten zu verschleiern.

So waren Teile der 2,5 Millionen Euro an Tschechien überwiesen worden, andere auf ein deutsches sowie österreichisches Konto.

Im Gerichtsverfahren zwischen den Erben des Steuer-CD-Lieferanten und der Schweizer Bundesanwaltschaft waren Gerichte in Österreich und der Schweiz involviert. Am Ende stimmten sowohl die österreichischen als auch Schweizer Gerichte gegen die Erbansprüche der Erben des österreichischen Daten-Diebs.

Im Zentrum der Rechtsfindung stand, wie das NRW-Honorar zu werten sei. Deutschland hatte darauf gepocht, man habe nur Gutes tun wollen und deshalb die 2,5 Millionen Euro für die geklauten Bankdaten bezahlt.

Das sahen aber die zuständigen Richter an den Gerichten in Österreich und der Schweiz anders.

Der ehemalige Mitarbeiter und Verkäufer der Steuer-CD sei kein „Whistleblower“, sondern ein schnöder Krimineller. Deshalb seien auch die 2,5 Millionen Euro des SPD-Finanzministeriums an den Lieferanten kein „Whistleblower“-Honorar, sondern ein Erlös aus einem kriminellen Delikt.

In der Fachsprache also ein Deliktserlös. Und bei solchen Erlösen gilt: Sie sind illegal und stehen dem Betroffenen und wohl auch den Erben nicht zu.

Deshalb seien die Schweizer Ermittlungsbehörden berechtigt, einen Großteil der 2,5 Millionen Euro und dessen, was davon noch übrig ist, einzuziehen.

Die Schweiz pocht entsprechend nach wie vor darauf: Ein strafbares Verhalten dürfe sich nicht lohnen.

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Von Elke

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