Auch wenn westliche Massenmedien schreiben, es habe in Brasilien bereits eine Anklage des brasilianischen Generalstaatsanwalts gegen den umstrittenen rechtskonservativen Präsidenten Michel Temer (Partei der „PMDB“) wegen des Verdachts der bandenmäßigen Korruption gegeben: Das stimmt so nicht.
Richtig ist, dass der Generalstaatsanwalt von Brasilien, Rodrigo Janot, vor dem Obersten Gerichtshof von Brasilien, dem Supremo Tribunal Federal Brasilia (STF), beantragt hat, ob dieser einer Untersuchung im Falle des Korruptionsskandals rund um Temer zustimmt. Die Entscheidung liegt hier beim obersten Gerichtsvertreter, dem Gerichtsminister Edson Fachin.
Ob es eine offizielle Anklage gegen Temer geben wird oder nicht, ist noch offen. Zudem muss das Repräsentantenhaus zu erst die Immunität von Temer aufheben. Hinzu kommt: Die Justiz gilt in Brasilien selber als korrupt und wenig vertrauenswürdig.
Dies liegt nicht nur daran, dass der Generalstaatsanwalt in Brasilien formal vom Justizministerium berufen wird. Schwerer wiegt, dass es in Brasilien eine Tradition der Kumpanei zwischen Justiz und den konservativen Mächtigen im Land gibt.
Die Ermittlungen rund um den öffentlich gewordenen Regierungs-Korruptionsskandal laufen in Brasilien derzeit bei der Bundespolizei und eben der Generalstaatsanwaltschaft zusammen.
Neben diversen Telefonmitschnitten gibt es einen explosiven heimlichen Mitschnitt eines Gespräches zwischen Michel Temer und einem mächtigen reichen brasilianischen Unternehmer: Joesley Batista vom größten Fleischkonzern der Welt, JBS S.A.
In diesem von Batista heimlich aufgezeichneten Gespräch mit Temer und anderen geht es darum, dass Temer zugestimmt haben soll, dem ehemaligen brasilianischen Parlamentspräsidenten, der derzeit ebenfalls wegen Korruptionsverdachts in U-Haft sitzt, 500.000 US-Dollar, umgerechnet 447.000 Euro, Schweigegeld zukommen zu lassen.
Das Geld sollte an Joesley Batista gehen, also an die JBS S.A. Von dort sollte es wiederum an den ehemaligen Parlamentspräsidenten, an Eduardo Cunha, weitergeleitet werden.
Doch statt das Geld weiterzuleiten, spielte der 44-jährige Unternehmer Joesley Batista die heimlichen Gesprächsmitschnitte an die der Regierung nahestehende Zeitung „O Globo“ weiter. Diese veröffentlichte das Skandal-Material vom 7. März 2017 am 17. Mai 2017.
Die veröffentlichen Nachrichten führten zu massiven Protesten und Forderungen, dass Temer, der erst neun Monate im Amt ist, zurücktreten solle.
Zudem behauptete am 19. Mai 2017 JBS, dass der Superkonzern an Vertreter der letzten drei brasilianischen Regierungen Schmiergelder überwiesen habe – also an Personen rund um Michel Temer, seine linke Vorgängerin Dilma Rousseff und an Luiz Inácio Lula da Silva. Die Schmiergeldzahlungen sollen in den vergangenen 14 Jahren stattgefunden haben.
Alle drei Präsidenten weisen die Annahme von Bestechungsgeldern zurück. Rousseff erklärte, sie habe niemals Gelder angenommen. Vielmehr sei das gegen sie durchgeführte Amtsenthebungsverfahren im August 2016 ein Staatsstreich einer abgründigen erzkonservativen Elite im Land gewesen. Führend beim Amtsenthebungsverfahren war ihr damaliger Stellvertreter Michel Temer.
Nach Angaben von JBS gegenüber ermittelnden Staatsanwälten, habe der Konzern in den vergangenen Jahren insgesamt 123 Millionen US-Dollar Bestechungsgeldern an brasilianische Politiker bezahlt. Umgerechnet wären das 110 Millionen Euro.
Die Zahlungen an Politiker oder Verwandte von Politikern wurden teils von der brasilianischen Bundespolizei, welche JBS eingeschaltet hatte, parallel gefilmt.
Angeblich gebe es dabei auch Vorwürfe der Korruption gegen den eigentlich sozial engagierten ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Aecio Neves.
Es gibt Behauptungen, wonach JBS angeblich Schmiergeldzahlungen an 1.829 Politiker ausgeschüttet haben soll. Ob JBS das freiwillig bezahlte, oder von den Politikern erpresst wurde, ist noch nicht klar und wird untersucht.
Im Zentrum der Justizermittlungen steht auch der Vorwurf des Insiderhandels von JBS SA-Aktien im Wert von 1 Milliarden Dollar. Die Aktien soll Unternehmer Batista gemeinsam mit seinem Bruder Wesley Batista gehandelt haben.
Die Ermittlungen rund um möglichen Insiderhandel haben bislang den Aktienkurs von JBS deutlich reduziert. Lag der Aktienkurs im Frühjahr 2015 noch bei 16,80 Real (4,55 Euro), kostet heute eine solche Aktie nur noch 6,18 Real, umgerechnet also 1,67 Euro. Allerdings ist das ein Niveau, welches in den vergangenen 15 Jahren ähnlich war. Die Marktkapitalisierung von JBS SA liegt derzeit bei 17,04 Milliarden Real, also 4,62 Milliarden Euro.
Federführend im Aufklärungs-Verfahren ist die brasilianische Wertpapierkommission „Comissão de Valores Mobiliários“ (CVM).
Ob es aber gegen Temer wirklich zu einem Ermittlungsverfahrenen kommt, gilt derzeit als sehr unwahrscheinlich. Denn dafür müssten 342 der 513 Parlamentarier einer Aufhebung der Immunität des Präsidenten zustimmen. Das gilt als unwahrscheinlich.