Brauchtum wird in der Schweizer Stadt Lausanne, wie in vielen anderen Schweizer Städten, hoch gehalten. Hier Guggenmusik in Montreux (Bild: pixabay.com | CC0 Creative Commons)
Brauchtum wird in der Schweizer Stadt Lausanne, wie in vielen anderen Schweizer Städten, hoch gehalten. Hier Guggenmusik in Montreux (Bild: pixabay.com | CC0 Creative Commons)

Die Worte haben es in sich: Der ehemalige Lausanner Stadtrat Olivier Français erklärte, das Klima im Stadtrat des schweizerischen Ortes Lausannes sei „schwer zu ertragen“. Mit den dort erfahrenen „kleinen politischen Spielereien“ wolle er nicht länger umgehen, da sie ihn „zermürbten“. Auch deshalb habe er von einer solchen Art Umgang „die Nase gestrichen voll“. So zumindest schreibt es der Schweizer Tages-Anzeiger in seiner Ausgabe vom 1. November 2017 auf einer ganzen halben pikanten Seite. (1)

Wer Stadträte kennt, weiß was gemeint ist: Da sitzen nicht immer die kompetentesten Leute und auch nicht immer die, die wirklich was bewegen wollen. Nicht selten sind in der Lokalpolitik Leute vertreten, die es lieben in der Stadt als wichtig wahrgenommen zu werden und ihren kleinen Machtspielchen gegen Fraktionskollegen nachzugehen.

Eines war jedenfalls klar: Wer ein so schlechtes wie ehrliches öffentliches Zeugnis über seine Kollegen und Kolleginnen abgibt, der muss mit einer Revanche rechnen.

Die sucht nun der Stadtrat von Lausanne und teilte mit, er habe die städtische Finanzverwaltung angewiesen, eine Untersuchung gegen den Ex-Kollegen Olivier Français einzuleiten, schreibt der Tages-Anzeiger weiter und beruft sich dabei auf Recherchen gemeinsam mit der Schweizer Tageszeitung „24 Heures“.

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Konkret gehe es bei der Finanzuntersuchung um folgendes:

„Der Stadtrat verlangt Klarheit, was es mit einer finanziellen Entschädigung auf sich hat, die Olivier Français als Delegierter der Stadt im Verwaltungsrat der Kehrrichtverbrennungsanstalt Tridel bezog.“

So habe der 62-jährige Ex-Stadtrat von Lausanne, Français, „im Frühling 2016 eine Art Abgangsentschädigung“ durch die TRIDEL SA in Höhe von rund 80.000 Franken erhalten.

Weiter schreibt der Tages-Anzeiger: „Stefan Nellen, zugleich VR-Präsident und Direktor von Tridel, sprach gestern von einer nachträglichen Entschädigung an Olivier Français.

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Dieser habe sich beim Bau der Kehrichtverwertungsanlage während der Jahre 2002 bis 2006 außerordentlich engagiert. Der Bonus solle der späte Lohn dafür sein.“

Tridel ist ein in der Schweiz von öffentlicher Hand getragenes Unternehmen. Es gehöre, so der Tages-Anzeiger, über 100 Waadtländer Städten und Gemeinden.

Da kaum ein Konzern heute ohne Kulturförderung auskommt, vergisst der Tages-Anzeiger nicht, darauf hinzuweisen, dass „gemäß mehreren Quellen.. Tridel dem Alpinen Filmfestival von Les Diablerets, das Olivier Français präsidiert, im Juni letzten Jahres 30.000 Franken überwiesen“ habe.

Zudem seien Beiträge in ähnlicher Höhe unter anderem an die Heimatschutzstiftung VD 9032 gegangen, „bei der Olivier Français Mitglied ist“.

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Kommentar

Klar, es ist wichtig, dass Korruption öffentlich angeprangert wird. Im Vergleich zu Deutschland ist eine Vergütung mit 80.000 Franken für eine Aufgabe als Stadtrat in einem Verwaltungsrat sicherlich hoch. Allerdings reden wir über einen Zeitraum von gut vier bis fünf Jahren. Das reduziert also die jährliche Summe deutlich.

Doch ist es zu hoch und kann deshalb, wie es der Tages-Anzeiger durchaus versucht, die Nähe zu einem korrupten Verhalten medial hergestellt werden? Diese Frage muss man stellen.

Fakt ist: Eine pauschale Aussage lässt sich dazu nie treffen und Fachleute werden auch nicht für lau sich öffentlich in Verwaltungsräten engagieren, da sie in der Regel einfach gar keine Zeit für solche Zusatzjobs haben.

Es muss deshalb immer der Blick ins Detail in den Fokus der öffentlichen Debatten rücken: Wie viel Arbeit hatte der Lausanner Stadtrat wirklich? Wie viel Knowhow ist notwendig für die Tätigkeit? Ist das Geld für eine Gegenleistung geflossen, die wirklich zeitintensiv war und spezifisches Wissen erfordert, oder nicht? Und: Was ist am Ende eines langen Tages Arbeit dabei herausgekommen?

Was aber der Tages-Anzeiger nicht weiter groß ausführt, ist der Punkt: In Deutschland werden Politiker, die private Sponsorgengelder für soziale oder kulturelle Zwecke eintreiben, gelobt. In der Schweiz scheint man sich schnell dem Verdacht ausgesetzt zu sehen, als sei man korrupt. Am Ende leiden aber nur die, welche auf Sponsorengelder angewiesen sind.

Denn in so einem Klima werden immer weniger Privatleute oder Konzerne bereit sein, sich überhaupt noch irgendwo finanziell zu engagieren. Dass Politik auch People-Business ist, ist keine Schande, auch keine zwangsläufige Korruption, sondern gut:

Die fleißigen Strippenzieher, die sich bemühen, für ihre Region etwas zu bewegen, werden zwangsläufig beim Sponsorengelder eintreiben erfolgreicher sein, als die Hinterbänkler.

Hinterbänkler werden zwar nie eine größere Abfindung in einem Verwaltungsrat erhalten. In der Regel können sie aber auch keine große Bilanz beim Eintreiben von Sponsorengelder für kulturelle, sportliche, oder sonstige soziale Zwecke vorweisen.

Das heißt: Eines geht nie: wasch mich, aber man mich nicht nass.

Einzelnachweise

(1) Bonus bringt FDP-Stadtrat in Erklärungsnot. Lausannes Regierung will leine Untersuchung gegen Olivier Français einleiten. Der heutige Ständerat sass als Stadtrat im Verwaltungsrat einer Kehrichtverbrennungsanstalt, die ihm 80.000 Franken Entschädigung zusprach. In der Stadtkasse landete das Geld jedoch nie, von Philippe Reichen und Renaud Bournoud, in: Tages-Anzeiger vom 1. November 2017, Seite 4, Ressort Schweiz.

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Von Elke

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