Kommentar – In Deutschland stürzen Arbeitslose, die innerhalb von 12 bis 15 Monaten keine Anschluss-Beschäftigung gefunden haben Dank CDU, CSU und SPD nicht mehr, wie früher, auf das Arbeitslosenhilfeniveau. Solche „Langzeitarbeitslosen“ werden vom Staat sofort in die Grundsicherung in Form einer Sozialhilfe mit dem Namen Hartz IV geschoben. Egal wie alt sie sind, egal wie viele Jahrzehnte sie vorher gearbeitet haben und egal, wie viel sie vorher verdient haben.
Hartz ist für die meisten Langzeitarbeitslose eine Katastrophe, da Hartz IV alle über einen Kamm schert, egal wie viel Hunderttausende Euro vorher ein Arbeitnehmer im Laufe seines Arbeitslebens in die deutschen Sozialkassen überwiesen hat oder nicht.
Und Hartz IV ist meilenweit weniger, als es die frühere deutsche Arbeitslosenhilfe war, welche man nach 12 Monaten erhalten hatte. Die Arbeitslosenhilfe lag bei rund 60 Prozent des ehemaligen monatlichen Nettoeinkommens.
Dabei muss man nicht erst „Hartz und herzlich“ von RTL II sehen, eine hervorragende Dienstags ausgestrahlte Dokumentation über das Leben von Hartz IVlern in klassischen deutschen Hartz IV-Hochburgen, wie der Dortmunder Eisenbahnsiedlung, den Plattenbauten von Bitterfeld-Wolfen, oder den Benz-Baracken von Mannheim, um zu verstehen: Ab Hartz IV heißt es, jeden einzelnen Euro drei Mal herumzudrehen, sonst ist der Kühlschrank am Monatsende komplett leer und der Schimmel an der Wand geht nie mehr weg. (1)
Ganz so schlimm ist es in der Schweiz nicht. Und auch die jetzt in der Stadt Zürich anstehende Sozialreform der Sozialhilfe ist meilenweit humaner, als das, was in Deutschland seit gut 15 Jahren mit Arbeitslosen abgezogen wird.
Denn Arbeitslose, die faktisch nicht mehr vermittelbar sind, sollen nicht länger zwangsvermittelt werden in Jobs, in denen sie sowieso nicht überleben könnten. Das heißt:
Die Schweiz akzeptiert, dass bestimmte Menschen aus welchen Gründen auch immer, für den Arbeitsmarkt verloren sind.
„Deshalb passt die Stadt Zürich ihre Strategie im Umgang mit Sozialhilfeempfängern an“, schreibt der Tages-Anzeiger in seiner Ausgabe vom 1. November 2017 in einem halbseitigen Artikel. (1)
So wollten und sollten sich die staatlichen Sozialdienste auf jene Klienten fokussieren, „die motiviert sind oder zumindest gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben“.
So führt der Tages-Anzeiger aus, dass die arbeitsfähigen Bezügerinnen und Bezüger nach einer obligatorischen, vierwöchigen Abklärung in vier Gruppen eingeteilt würden:
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In Gruppe 1 seien jene, die in der freien Wirtschaft keine Chance auf einen Job hätten, aber an einem Beschäftigungsprogramm teilnehmen wollten.
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In Gruppe 2 würden jene eingeteilt, deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt zwar auch nicht gut seien, die aber motiviert seien, an ihren Qualifikationen zu arbeiten.
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Bezüger, die motiviert seinen und gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten, kämen in die Gruppe 3.
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In Gruppe 4 schließlich seien jene Personen, die zwar Chancen hätten, aber keine Motivation zeigten, einen Job zu finden und zu halten.
Sanktionen und eine Pflicht zur Teilnahme an den Soizalprogrammen gebe es in der Schweiz, so der Tages-Anzeiger, nur noch in der Gruppe 4: „Also für jene, die arbeiten könnten, aber nicht wollen“.
Bei allen anderen Arbeitslosen setze man auf Freiwilligkeit, erklärte Mirjam Schlup, die Direktorin der Sozialen Dienste der Stadt Zürich gegenüber dem Tages-Anzeiger.
Einzelnachweise
(1) Hartz und herzlich, wöchentliche Dokumentation in RTL II.
(2) Gegen die Drehtür-Sozialhilfe. Die Stadt Zürich entlastet einen Teil der Sozialhilfebezüger: Wer keine realistische Chance auf einen Job hat, muss nicht mehr an Arbeitsprogrammen teilnehmen, von Liliane Minor, in: Tages-Anzeiger vom 1. November 2017, Ressort Zürich, Seite 19.