Auch wenn in deutschen Massenmedien momentan gerne getan wird, als stünde angesichts des Brexit-Votums der finanzielle Kollaps von Großbritannien oder seiner Währung bevor: Dem ist nicht so. Keinesfalls gibt es also Grund zu „Fassungslosigkeit, Entsetzen, Ratlosigkeit“ (O-Ton Der Spiegel).
Im Gegenteil: Betrachtet man Großbritannien als einen Staat, der schon vor rund 1250 Jahren erstmals das Wort „Penny“ für sein Geld kannte – es hatte im 8. Jahrhundert König Offa von Mercia eingeführt (757–796) – und auch das Britische Pfund bald 400 Jahre unter diesem Namen bekannt ist, relativiert sich sehr vieles.
Das Britische Pfund hat den 100-jährigen Krieg überstanden. Es meisterte die Kolonialzeit. Das Pfund steckte den Napoleon-Krieg, der Europa beutelte, nicht schlecht weg. Obendrein bestand das Pfund den Test der beiden Weltkriege recht gut. Im Gegensatz zur Deutschen Mark (DM): Ihr waren keine 70 Jahre vergönnt, bevor sie vom Euro 2002 abgelöst wurde.
Auch wenn in zahlreichen Massenmedien derzeit die Zahl herumgeistert, wonach der Absturz des Britischen Pfund gegenüber dem US-Dollar nach dem Brexit nun den tiefsten Stand seit 1985 erreicht habe und auch ein Tief gegenüber dem Euro erreicht sei, so gilt: alles halb so wild. Schaut man sich die Charts an, stellt man schnell fest: Alleine in den vergangenen 15 Jahren war das Niveau des Pfund gegenüber dem Euro mehrmals ganz ähnlich wie heute und auch das Niveau gegenüber dem Dollar lag nicht weit entfernt.
Viele meinen sogar: Endlich wird das Pfund abgewertet, da es über Jahre komplett überbewertet worden sei. Das führte dazu, dass die Briten in den vergangenen Jahren auf dem europäischen Festland so günstig wie selten auf Shoppingtour gehen konnten – zum Beispiel von Immobilien in Berlin oder Ferienhäusern am Gardasee. Gleichzeitig war aber auch Urlaub auf der britischen Insel für die Festland-Europäer teuer wie kaum zuvor. Beide Ausschläge werden nun gesund sich angleichen.
Am Samstag den 2. Juli 2016 erhielt ein Brite für ein Pfund 1,32 US-Dollar. Noch vor zwei Jahren, am 5. Juli 2014, waren es 1,72 US-Dollar. Den Höhepunkt der Pfundstärke erreichte die britische Währung am 3. November 2007. Damals erhielt ein Brite für ein Pfund 2,079 US-Dollar. Das jetzige Tief ist wahrlich nicht das einzige in den vergangenen gut 15 Jahren. Schon einmal, am 9. Juni 2001, erhielt ein Brite für ein Pfund gerade einmal 1,38 US-Dollar. Das ist aber gar nicht so weit entfernt, von dem heutigen Niveau.
Der Euro ist gegenüber dem US-Dollar mindestens so stark gesunken, wie nun das Britische Pfund
Auch sollte man nicht vergessen: Der Euro war 2012 ebenfalls fast 50% stärker gegenüber dem US-Dollar, als er heute ist. Erhielt man 2012 noch bis zu 1,43 US-Dollar für einen Euro, sind es heute gerade noch im Schnitt 1,10 bis 1,11 US-Dollar. Um das etwas bildlicher darzustellen: Wer also heute 100 Euro in der Bank hinblättern, bekommt gerade noch 110 bis 111 US-Dollar heraus. Noch vor vier Jahren waren es gut 142 US-Dollar.
Je mehr Geld man gewechselt hätte, desto spürbarer wären die Wechselkursschwankungen. Bei 1000 Euro würden wir schon von einer Differenz von gut 300 US-Dollar sprechen, die man 2012 mehr bekommen hätte, also heute.
Auch in der aktuellen Betrachtung des Wechselkurses vom Britischen Pfund zum Euro fällt auf: So dramatisch ist das nach dem Brexit-Votum alles nicht. Erhielt man am Samstag den 2. Juli 2016 für ein Britisches Pfund noch 1,19 Euro, lag dieser Betrag am 27. Dezember 2008 wesentlich schlechter.
Damals, nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise, hervorgerufen durch Banken und Versicherungen der USA, erhielt ein Brite für ein Pfund gerade noch 1,04 Euro. Es bestand also fast eine Parität. Damals hatte niemand deshalb den Weltuntergang ausgerufen.
Umgekehrt muss man aber auch sagen: Am 21. Oktober 2000 – zu einem Zeitpunkt also, an dem offiziell zwar mit Euro gehandelt wurde, aber noch nicht im öffentlichen Zahlungsverkehr dieser eingesetzt wurde, – erhielt ein Brite für ein Pfund die enorme Summe von 1,73 Euro – also 45 Cent mehr als heute. Das ist in etwa das Verhältnis welches derzeit der Euro gegenüber dem US-Dollar im Vergleich zu vor vier Jahren, 2012, hat.
Deshalb: Das Britische Pfund hat in den vergangenen Jahrhunderten viele Krisen sehr gut gemeistert und wird auch den Brexit, also den Abschied Großbritanniens aus der Europäischen Union, gute meistern. Denn nach wie vor ist das Pfund neben dem US-Dollar, dem Euro und Yen die wichtigste weltweite Währung, die Länder für ihre Währungsreserven nutzen.
Die Europäische Union hat deshalb keinen Grund zu glauben, die britische Insel würde nun angesichts eines bevorstehenden Brexit massiv geschwächt. Im Gegenteil: Großbritannien hat nach wie vor sehr starke Verbünde und zwar in Form seines Commonwealth. Bis heute ist die britische Königin immerhin offiziell Staatsoberhaupt von Kanada oder Australien.
Da es gar nicht so einfach ist, Finanzportale zu finden, die einen längeren Wechselkurs-Trend als die vergangenen fünf oder zehn Jahre anzeigen, empfiehlt steuerratschlag.eu euch die folgende Webseite. Grund: Sie präsentiert auch Charts, welche einen Zeitraum von über 15 Jahren anzeigen: pounds2euro.com/Charts.