In Guatemala beobachten Menschenrechtler mit Sorge die Massenverhaftungen von Ministern. Das Land gilt als Arm und ist unter anderem vom Kokain-Anbau abhängig. Hier ein
In Guatemala beobachten Menschenrechtler mit Sorge die Massenverhaftungen von Ministern. Das Land gilt als Arm und ist unter anderem vom Kokain-Anbau abhängig. Hier ein

Es ist ein Drama in der Finanzwelt, wie es selten vorkommt: Wegen angeblicher Bestechlichkeit im Amt stand die Verhaftung des ehemaligen Finanzministers des zentralamerikanischen Staates Guatemala kurz bevor. Doch zu einer Verhaftung von Pavel Centeno, 57, kam es nicht nicht mehr.

Während einige Quellen sagen, er habe sich vor seiner Verhaftung durch einen Suizid das Leben genommen, sagen Anhänger von ihm, sie glaubten dieser Version nicht: Vielmehr habe der Staat Centeno möglicherweise in seiner Privatresidenz erschossen.

Die Staatsanwaltschaft bleibt jedoch bei ihrer Version, wonach sich Guatemalas Spitzenpolitiker Centeno durch einen Kopfschuss angeblich sein Leben selbst genommen habe. Angeblich sei dies geschehen, als Polizisten auf Centenos Anwesen diesen verhaften hätten wollen. Dabei sei es an der Haustüre zu einem Schusswechsel gekommen, nachdem Centenos Frau die Türe geöffnet habe.

Dabei sei ein Beamter von einer Kugel in den Bauch getroffen worden, ein anderer in die Brust. Nach dem Schusswechsel habe sich der ehemalige Finanzminister angeblich umgedreht und sich selbst das Leben genommen. Der Gesundheitszustand der beiden verletzten Beamten gilt als ernst. Sie werden derzeit in einem Krankenhaus behandelt.

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Pavel Centeno war unter Staatschef Otto Perez Molina zwischen Januar 2012 und Oktober 2013 knapp zwei Jahre Finanzminister.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete gegen ihn, er habe Geldwäsche betrieben. Doch damit nicht genug: Vor der Verhaftung von Guatemalas ehemaligem Finanzminister Pavel Centeno waren bereits mehrere andere ehemalige Minister der Regierung Otto Perez Molina verhaftet worden und sitzen seitdem in Gefängnissen.

Als letzten Minister nahm die Staatsanwaltschaft mit gerichtlicher Verfügung den ehemaligen Landwirtschaftsminister Elmer Lopez Rodriguez am 27. September 2016 in Haft. Auch ihm wirft man Korruption vor.

Bereits vor einem Jahr war auch der ehemalige Präsident von Guatemala, Otto Perez Molina, selbst in Haft genommen worden. Auch ihm wird Korruption vorgeworfen.

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Nicht klar ist bislang, inwiefern diese Verhaftungswellen in Guatemala wirklich demokratisch legitimiert sind, oder um es sich um eine Form des Staatsputsches des neuen Staatspräsidenten Jimmy Morales , 46, handelt.

Der als Komiker bekannt gewordene Politiker gilt als radikal. Er hatte aber bei der Wahl mit 68% der Stimmen die Bevölkerung klar hinter sich und konnte auch die ehemalige First Lady von Guatemala, Sandra Torres, deutlich schlagen.

Menschenrechtler tun sich derzeit noch schwer, die Verhaftungswelle in der spanisch sprechenden República de Guatemala zu beurteilen. Ihre Befürchtung lautet: Dass es nicht unbedingt nur um einen Kampf gegen Korruption gehe, sondern möglicherweise eine Säuberungswelle im Lande im Gange sei, die vielmehr machtpolitischer Natur sei.

Dem entgegnet die gegenwärtige Regierung von Guatemala, dass Otto Perez Molina angeblich Chef eines Korruptionsrings gewesen sei. Diesen Vorwurf machte unter Führung der USA die UN, welche mit Hilfe einer internationaler staatsanwaltschaftlichen Untersuchung die Verhaftung von Molina vorangetrieben hatte.

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Die USA, welche als größter Geldgeber der UN und des Internationalen Währungsfonds entsprechenden Einfluss haben, werfen Guatemalas ehemaligem Staatschef Otto Perez Molina vor, Korruption zumindest geduldet oder gefördert zu haben.

Kritiker monieren: Dafür hatte er aber eine jahrzehntelange unbescholtene Karriere. Wie kommt der angeblich so schnelle Wandel?

Immerhin war Molina nicht irgendwer in Guatemala. So bekleidete er vor seinen Aufgaben als Staatschef des Landes folgende hochrangige Posten, ohne dass jemals Vorwürfe laut geworden sind (bis auf einen angeblichen Mordkomplott gegen einen Bischof in den er involviert gewesen sein soll, ohne dass es hier jemals ein Schuldspruch vor Gericht gegeben hätte). So war er unter anderem:

  • „Director of Military Intelligence“
  • „Presidential Chief of Staff“ unter Präsident Ramiro de León Carpio
  • „Chief representative of the military for the Guatemalan Peace Accords“.

Die Vorwürfe lauten nun jedenfalls: Angeblich habe Molina im Rahmen des Zolls Korruption gefördert. Die Rede ist dabei von einem „La Línea“-Korruptionsring.

So hätten Importeure Bestechungsgelder bezahlen müssen, damit Zölle erlassen oder deutlich reduziert worden seien. Als Beleg legte die Staatsanwaltschaft abgehörte Gespräche vor, sowie Aussagen von Importeuren. Bereits am 8. Mai 2015 war deshalb Vizepräsidentin Roxana Baldetti zurückgetreten und anschließend am 21. August verhaftet worden.

Auffällig bleibt dennoch, dass im Kongress von Guatemala keiner der Abgeordneten sich hinter den damals noch regierenden Staatschef Molina gestellt hatte. So hatten 132 Parlamentarier mit Null Gegenstimmen der Aufhebung der Immunität ihres eigenen Staatschefs zugestimmt. Historisch gesehen kommen solch eindeutige Abstimmungsergebnisse in einem Parlament faktisch so gut wie nie vor. Denn jeder Staatschef hat auch in der Krise noch Verbündete.

Dieses Abstimmungsergebnis hatte jedoch am 1. September 2015 zur Aufhebung der Immunität von Molina geführt. Am 2. September war er als Regierungschef zurückgetreten und am 3. September hatte ihn die Staatsanwaltschaft verhaftet. Seitdem sitzt er im Matamoros-Gefängnis in Guatemala-Stadt.

Die aggressive staatsanwaltschaftlichen Verfolgungen durch die USA und die UN in Guatemala schieben Beobachter auch folgenden Umständen zu: So hatte Guatemalas Regierungschef Otto Perez Molina es als Staatsziel ausgegeben, dass Kokain in Guatemala offiziell legalisiert werden sollte und nicht mehr als illegale Droge gewertet werden sollte.

Dies sei, so hatte er argumentiert, der einzig richtige Weg um Armut im Land zu bekämpfen und Drogenkriege zu beenden. Doch für die USA ist eine Legalisierung von Drogen ein politisches NoGo und kommt dem Pakt mit dem Teufel gleich. Nach wie vor sehen die USA die große Abhängigkeit von Drogenkonsumenten, was es zu verhindern gelte.

Die Radikalität der USA in ihrem Kampf gegen fast alle Form des Drogenkonsum (von Marihuana in einigen US-Bundesstaaten abgesehen) lässt sich auch daran ablesen, dass in den USA Hunderttausende Bürger derzeit in Gefängnissen einsitzen.

Ihnen wird vorgeworfen, entweder Drogen konsumiert zu haben oder mit Drogen gehandelt zu haben. Insgesamt halten die USA zwei Millionen Bürger in Haft. Das ist für westliche Verhältnisse ein einmalig hoher Wert.

Weitere Hintergründe: „Bauerngewerkschaft verurteilt Landvertreibungen in Guatemala

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