Nach den Panama Papers macht die Süddeutsche Zeitung (SZ) aus München nun mit den Paradise Papers auf und beschuldigt Superkonzerne, aber auch 120 Politiker aus bald 50 Ländern, ebenso das britische Königshaus, angeblich mit Hilfe einer Appleby Offshore-Kanzlei Milliarden Euro um die Welt zu schieben hinein in Steuer-Verhinderungsparadiese. (1)
Wie die Spinne im Netz sitze Appleby, ein Anwalts-Konstrukt kurz vor der Küste der USA auf den Bermuda Inseln um Superreichen, Hollywoodstars und anderen Prominenten oder Konzernen zu helfen, Steuern in ihren eigenen Ländern zu sparen und zu umgehen.
Das was in der Süddeutschen gesellschaftspolitisch anrüchig aussieht, schildert Appleby Global selber als völlig normales Business. So schreibt Appleby Global:
„Die Rechtsanwälte von Appleby sind Teil einer globalen Praxis, die von unseren Büros in Bermuda, den Britischen Jungferninseln, den Kaimaninseln, Guernsey, Hongkong, der Isle of Man, Jersey, Mauritius, den Seychellen und Shanghai aus operiert. Unser Netzwerk ermöglicht es uns, unsere Kunden auf der ganzen Welt zu bedienen, einschließlich der wichtigsten Entwicklungsregionen und insbesondere der BRIC-Länder.“
Zudem führt die Kanzlei weiter aus:
„Die Unternehmensgruppe von Appleby gehört zu den größten und anerkanntesten in der Offshore-Welt. Unsere multidisziplinären Teams beraten eine Vielzahl von FTSE 100- und Fortune-500-Unternehmen in allen Fragen des Gesellschafts- und Handelsrechts und konzentrieren sich auf Fusionen und Übernahmen, Umstrukturierungen von Unternehmen, Joint Ventures, Kapitalmärkte und Investmentfonds.“ (2)
Doch so gut das klingt, so dubios ist es auch. Bereits in den ARD Tagesthemen von Sonntag auf Montag, also vom 5. November auf den 6. November 2017, hatte die führende deutsche nationale Nachrichtensendung in einem umfangreichen Dossier die dubios klingenden Geschäfte von Appleby aufgedeckt. Appleby betont jedoch, dass alles so hingedeichselt sei, dass es angeblich „absolut sauber und professionell“ betrieben würde.“ (1f)
Im ARD-Beitrag war auch zu sehen, wie Vielflieger vom Schlage Lewis Hamilton von der Formel 1 beispielsweise seine Zehntausenden Kilometer Reisen um die Welt als Geschäftsreise deklariere und zwar mit Hilfe eines Konstrukts auf der britischen Isle of Man.
(Video-Verweis: Hamilton-Jet beim Landen, von Vxracing16 – HD Aviation Videos, auf YouTube vom 03.09.2013).
(Video-Verweis: Auch andere Formel 1-Stars haben ihr Spielzeug in Form von Privatjets. Hier ein Video von Javier Rullan Ruano vom 25.06.2012, veröffentlicht ebenfalls auf YouTube).
So habe Lewis Hamilton seinen Jet im Wert von über 20 Millionen Euro über die Isle of Man vollumfänglich als Geschäftsflugzeug deklarieren können und soll angeblich dafür die komplette Mehrwertsteuer mit Hilfe eines Zwischenfirma-Konstruktes wieder erstattet bekommen haben. Ein Luxus, der Normalbürgern sehr schnell als Steuerhinterziehung ausgelegt werden könnte, bei Hamilton aber angeblich legal sei.
Die Legalität sieht jedoch nicht jeder so, schreibt der Tages-Anzeiger aus der Schweiz:
„In dieser Konstruktion sieht Rita de la Feria, Professorin für Steuerrecht an der Universität von Leeds in Grossbritannien, rechtliche Probleme. Sie hat die Dokumente zum Fall studiert. «Wenn der Flieger privat genutzt wird, ist das Steuerhinterziehung. Lewis Hamilton hätte für die private Nutzung Mehrwertsteuern bezahlen müssen», sagt sie. Das hätte rund 1,3 Millionen Franken ausgemacht.“
Allerdings sei der Formel 1-Star nicht der einzige, welcher das Geschäft mit der maximalen supranational eingetüteten und künstlich gebauten Steuervermeidung versteht:
So gestand der britische Ministerpräsident der Insel Isle of Man, dass über künstlich gebaute internationale Firmenkonstrukte auf der Isle of Man alleine im Zeitraum 2011 bis 2017 insgesamt 231 Jetbesitzer über 870 Millionen Euro an Mehrwertsteuer vermieden hätten, welche sie bei Registrierung ihres Jets in ihren Heimatländern eigentlich hätten bezahlen müssen.
Grund: Die Mehrwertsteuer war diesen Personen, die ihre Jets auf der Insel registrieren hatten lassen, um sie wieder zu mieten, zu über 100 Prozent zurückerstattet worden.
Es ist ein bisschen wie bei Grenzgängern zwischen Deutschland und der Schweiz: In der Schweiz überwiegend lebende Bürger, welche in deutschen Ortschaften einkaufen, egal ob in Berlin oder in Freiburg, in Hamburg oder München, erhalten auf Antrag beim Deutschen Zoll die 19% Mehrwertsteuer wieder komplett zurückerstattet. Das ist ebenfalls legal.
Allerdings gibt es zur Island of Man einen entscheidenden Unterschied: Die Mehrwertsteuerrückerstattung können nur jene dauerhaft und überwiegend in der Schweiz lebende Bürger beantragen, die eben dort wirklich nachweislich überwiegend leben. Das ist bei der Island of Man nicht nötig.
Die Süddeutsche Zeitung führt zu den der Appleby-Kanzlei und den im Zentrum stehenden Paradise Papers aus, wonach ihr insgesamt etwa 13,4 Millionen Dokumente zugespielt worden seien:
„Sie dokumentieren, wie manche Kunden Briefkastenfirmen benutzen, um kriminelles Verhalten zu vertuschen oder Geld aus dubiosen Quellen zu verstecken. Sie belegen bisher unbekannte Verbindungen eines Ministers aus Donald Trumps Kabinett zu russischen Oligarchen; insgesamt finden sich sogar mehr als ein Dutzend Berater, Kabinettsmitglieder und Großspender von Donald Trump in den geleakten Daten.
…. In Deutschland führen die Spuren zu rund tausend Kunden, Begünstigten oder sonstwie Involvierten – ohne dass sich damit automatisch rechtliches Fehlverhalten verbinden würde. Unter den Offshore-Nutzern sind Milliardäre, Adelige, Unternehmer, Erben, Investoren, verurteilte Betrüger und ehemalige Politiker, etwa der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder…. auch Firmen wie Sixt, die Deutsche Post oder die Hotelkette Meininger, Siemens, Allianz, Bayer oder die Deutsche Bank.“
Allerdings veröffentliche die Zeitung, schreibt die SZ weiter, nur jene Fälle, in denen ein besonderes öffentliches Interesse offenkundig sei.
Als klassische Steuervermeidungs-Länder führt die Süddeutsche Zeitung im Zusammenhang mit den Paradise Papers folgende Länder auf:
Antigua und Barbuda, Aruba, Bahamas, Barbados, Bermudas, Kaimaninseln (Cayman Islands), Cookinseln, Dominica, Grenada, Labuan, Libanon, Malta, Marshallinseln, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Samoa, Trinidad und Tobago, sowie Vanuatu.
Einzelnachweise
(1) Das sind die Paradise Papers. Ein neues Leak erschüttert Konzerne, Politiker und die Welt der Superreichen, von Investigativ-Redaktion Süddeutsche Zeitung vom 06.11.2017. Abgerufen am 07.11.2017.
(2) appleby Global, Unternehmen, auf: applebyglobal.com.
(3) Lewis Hamilton mietet seinen eigenen Jet. Wie der Formel-1-Weltmeister einen Privatjet importieren konnte, ohne einen Rappen Mehrwertsteuer zu bezahlen, von Catherine Boss, Alexandre Haederli, Juliette Garside, in: Tages-Anzeiger Schweiz vom 06.11.2017. Abgerufen am 07.11.2017.