Der Wolfsburger Automobilkonzern Volkswagen (VW) kann in den USA noch seine Verkäufe halten – trotz der Betrugs-Vorwürfe vor zwei Wochen und einer summierten drohenden Strafe in Höhe von bis zu 50 Milliarden US-Dollar. Dennoch steht VW im Vergleich zu anderen Autoherstellern nach wie vor in den USA eher schlank da. Denn fast alle andere Automobilkonzerne konnten im September deutlich mehr Autos verkaufen – oft im zweistelligen Bereich – als Volkswagen.
Jedenfalls teilte Volkswagen of America am Donnerstag mit, wonach man seine VW-Verkäufe in den USA sogar ganz leicht um 0,56 Prozent habe steigern können. Damit überrascht der gebeutelte deutsche Konzern Analysten und Investoren. Die Automobilbranche wie Anleger waren davon ausgegangen, dass Volkswagen auf Grund seines Emissions-Skandals die Autoverkäufe einbrechen könnten.
Nun teilte VW mit, man habe im September 145 Fahrzeuge mehr verkaufen können, als prognostiziert. Allerdings verfügt Volkswagen in dem Land, in welchem für 2015 von rund 17 Millionen verkauften Neuwagen ausgegangen wird, über nur ein verschwindend geringen Marktanteil – um die 2 Prozent. Deshalb ist der Erfolg von VW wohl eher dem Umstand zuzuschreiben, dass in den USA der gesamte Konsum gestiegen ist und so viele Fahrzeuge abgesetzt werden, wie seit zehn Jahren nicht mehr.
Zu früh um mittel- oder langfristige Verkaufs-Prognosen für VW abzugeben
Wie zurückhaltend die Käufer gegenüber VW langfristig tatsächlich sein werden, ist noch nicht ausgemacht. Allerdings ist kaum vorstellbar, dass bei einer betrügerisch eingebauten Emissions-Software in weltweit rund 11 Millionen Dieselfahrzeugen, das spurlos an dem Weltkonzern vorbeigeht.
Bei Volkswagen dürfte sich denn auch trotz des schmalen Umsatzanstiegs die Freude in Grenzen halten. Denn die meisten VW-Automobile verkauften sich im September durchaus schlechter als im Vormonat. Dazu gehören beispielsweise der Klassiker Golf, aber auch der Jetta, VW Käfer, Passat und sogar das in Deutschland beliebte große Familienauto, der Touareg. Umsatz- und Verkaufstreiber im Volkswagenkonzern war der Tiguan Sport Utility Vehicle. Hier konnte VW immerhin 1.298 Autos im September mehr verkaufen als im Vormonat – ein deutlicher Anstieg um 78 Prozent.
Problematisch könnte für Volkswagen langfristig sein, dass vor allem in den USA genüsslich ausgebreitet wird, welche Marken alle zum VW-Konzern gehören. Vielen Amerikanern war beispielsweise nicht klar, dass die Luxusmarken Audi, Porsche, Bentley oder Lamborghini ebenfalls zu VW gehören. Immerhin kann jedoch auch Audi für September 2015 mitteilen, dass die Verkäufe um 16 Prozent angestiegen sind.
Konkurrenten wie General Motors oder Toyota verweisen auf mehr Wachstum
Audi hält damit mehr oder weniger mit Wettbewerbern wie General Motors, Ford, Toyota, Honda, Hyundai, Fiat Chrysler oder Nissan mit – zumindest hinsichtlich der prozentualen Verkaufsansteige, weniger im Bereich der absoluten, also tatsächlichen Autoverkäufe. Alle diese Automobilhersteller können auf Wachstumsraten von 14 bis über 20 Prozent im September verweisen.
Vor allem der alljährlich gefeierte Labor Day sorgte einmal mehr für ein kräftiges Umsatzplus. Glücklich sind beispielsweise die Händler, welche in den USA Fiat Chrysler vertreiben. Sie setzten 14 Prozent mehr um, als im Vormonat. Damit kann der italienisch-amerikanische Automobilkonzern auf 66 Monaten andauernde Verkaufssteigerungen verweisen.
Die amerikanische Traditionsmarke Ford, berühmt dafür, dass der Konzern vor über 100 Jahren erstmals am Fließband Autos produzierte, teilte mit, er habe den höchsten monatlichen Verkaufsanstieg im September erlebt seit fünf Jahren – also seit 2010. Entsprechend stieg der Gewinn um satte 23 Prozent. General Motors (GM) konnte seinen Umsatz der unterschiedlichsten unter dem GM-Dach hergestellten und verkauften Automarken um immerhin 13 Prozent steigern.
Nach oben ging es auch für Toyota (+16% Verkaufsanstieg), Nissan (+18 Prozent) oder Honda (+13 Prozent).
Diesel verkauft VW in den USA nach wie vor
Besonders überrascht, dass Volkswagen trotz des Dieselskandals 3060 Diesel-Fahrzeuge in den USA im September verkaufte. Doch viele Abschlüsse für den Erwerb eines VW-Diesel dürften möglicherweise schon Wochen vor dem Bekanntwerden des Emissions-Betrugs-Skandals unter Dach und Fach gewesen sein. Deshalb ist es derzeit zu früh, mittel- bis langfristige Prognosen zum Volkswagen-Konzern abzugeben. Klar ist, dass Volkswagen auf einem Großteil der zu erwartenden Strafzahlungen sitzen bleibt und die Versicherungen wohl nur einen verschwindend geringen Teil übernehmen werden.