In Europa werden jährlich Hunderte Rip Deals erfolgreich begangen. Die Schäden dürften in die Milliarden Euro gehen. Damit liegen sie auf Augenhöhe mit den klassischen Mafia-Geschäftsfeldern Drogenhandel und Waffenhandel. Neben dem vier Jahre zurückliegenden Rip Deal an Unister-Gründer Thomas Wagner gilt ein Juwelen-Ripdeal in Spanien als ein weiterer spektakulärer Kriminalfall von kriminellen Vereinigungen, welcher bekannt wurde.
Die italienische Tageszeitung «La Repubblica» berichtete 2011 über den Millionenraub. Er betraf Schmuck von Argentiniens berühmtester Politikerin und Kämpferin für die Demokratie, von Evita Peron, auch bekannt als Eva Perón, im Wert von 10 Millionen Euro.
La Repubblica schrieb dazu: «Der Schatz war in Spanien von einer Bande von Roma-Nomaden geraubt worden». Auf italienisch von einer «banda di nomadi di etnia rom». Beziehungsweise «un gruppo di nomadi di etnia rom e sinti», also einer Gruppe von Sinti und Roma. 2018 kam es dann erneut zu einer Verhaftung. Dieses Mal von einer ebenfalls kriminellen spanischen Juwelierin, die den Hals nicht vollbekommen konnte. Doch der Reihe nach.
Die Verhaftung der Sinti und Roma hatte eine Zusammenarbeit von italienischen Polizeidienststellen sowie der Polícia nacional von Spanien ermöglicht. La Repubblica führt aus: «Juwelen und prächtige Kleider waren während ihrer kontroversen Existenz immer ein Teil von ihr».
Nach ihrem Tod im Jahr 1952 kam der Juwelen-Schatz der Eva Duarte, der Frau des ehemaligen argentinischen Präsidenten Juan Domingo Peron, bekannt als Evita, irgendwie nach Spanien. «Und so war es, bis die Juwelen während eines Superbetrugs», so La Repubblica, bei einem der berühmtesten Juweliere Spaniens 2009 gestohlen wurden. Ein Jahr hätten damals die Ermittlungen gedauert.» Schließlich fanden eingesetzte Polizeihunde den Juwelenschatz der Evita Peron:
Der Raub der Juwelen am 17. Dezember 2009 in der spanischen Großstadt Valencia war zwei Jahre lang minutiös vorbereitet worden:
«Der Diebstahl von Eva Perons Tiara nahm Mitte 2007 Gestalt an. Zwei Kriminelle mit weißen Handschuhen gaben vor, erhebliche Investitionen in Mailand zu tätigen, um das Vertrauen der valencianischen Juwelierin Joyas Sofia (Sofía M. S.) zu gewinnen. Dann kauften sie ihr Uhren und Schmuck im Wert von 20.000 Euro ab, schlossen zwei Jahre lang eine Freundschaft und luden sie sogar in die italienische Stadt ein. Nach dieser Phase der offensichtlichen Höflichkeit machten sie den zweiten Schritt und empfahlen der Juwelierin einen vertrauenswürdigen Kunden: einen arabischen Scheich namens Mohamed Abdil Abdul.»
Dazu schreibt das Portal misextranosdelincuentes:
„Alles begann im Jahr 2006, als zwei hübsche junge Männer, die sagten, sie seien Italiener, im Juweliergeschäft Sofía auf der Plaza de la Reina in Valencia auftauchten, um mehrere Juwelen zu erwerben. Sie taten dies dreimal und ließen nicht weniger als 20.000 Euro auf dem Geldschalter liegen. Mit dieser wichtigen Zahlung gelang es beiden, das Vertrauen der Eigentümerin Sofía Monteagudo zu gewinnen, die in ihnen sah, was sie nicht waren: gute Kunden. Tatsächlich waren es Gojko Jovanovic [auch geschrieben als Goico Jovanovic] und Tomislav Jovanovic„.
Nach Angaben von lasprovincias.es war auch Zoran Jovanovic, Mitglied des internationalen Verbrecher-Syndikats, dessen Arme bis nach Berlin reichen, wo Sinisa Jovanovic gesucht werden soll.
Mitglieder des serbisch-kroatischen Jovanovic-Clans , einer Familiengruppe, die sich darauf spezialisiert hat, durch das Rip-Deal-Verfahren (ein Betrug der hochrangigen Marke) in ganz Mitteleuropa zu betrügen.“ (2020 kam es erneut wegen Millionenbetrugs dieses Verbrecherclans zu Verhaftungen und Beschlagnahme von Millionen-Anwesen).
Weiter schreibt das Portal:
„Der Betrug begann mit all den Entfaltungen, die einen Coup dieser Eigenschaften erfordern, und dazu gehörten luxuriöse Hotelzimmer, weiße Limousinen, Abendessen mit fünf Gabeln und eine Frau, die mit einem Niqab bedeckt war, dem strengen muslimischen Kleid, das nur die Augen der Frau sehen lässt. (auf dem Bild seine Ankunft mit dem falschen Scheich in einem der Hotels). So einigten sich die Betrüger auf ein erstes Treffen im luxuriösen Las Arenas Hotel in der valencianischen Hauptstadt zwischen dem falschen Magnaten, seiner Sekretärin und dem ahnungslosen Juwelier. Indem sie letzteren vorschlugen, Schmuck im Wert von mehr als 10 Millionen Euro zu erwerben.“
Der falsche Charakter, also der Scheich aus Abu-Dhabi, sei von einem der Diebe gespielt worden. Ein anderes Mitglied der Bande habe vorgegeben, der Sekretär des wohlhabenden Käufers zu sein. «Sie beendeten ihren kriminellen Plan mit einer Frau, die behauptete, eine der neun Frauen des Scheichs zu sein, und präsentierten sich dem Opfer in einer Limousine und in arabischer Kleidung.»
Treffen im Luxushotel «Hotel Balneario Las Arenas» in Valencia
Bei einem Treffen am 25. November 2009 im spanischen Luxushotel «Hotel Balneario Las Arenas» in Valencia, auch als «Hotel Las Arenas» bekannt schlug man der Juwelierin vor, Schmuckstücke im Wert von 10,5 Millionen Euro zu kaufen, «da der falsche Scheich beabsichtige, seinen neun Frauen Geschenke zu machen». Der Juwelierin wurde auch gesagt, «dass ein Gemmologe als Vermittler und Experte für die Operation fungieren würde, aber er war tatsächlich der fünfte Dieb, der bald darauf in den Raub verwickelt war».
Nach mehreren Kontakten sollte es am 17. Dezember 2009 zum Kauf des Schmucks kommen. Die Transaktion sollte mit 500-Euro-Scheinen durchgeführt werden. Das Treffen fand im Hotel Sorolla Center in Valencia statt. Auch ein Mitarbeiter des Juweliers war zugegen:
«Nachdem einer der Diebe das Geld gezählt hatte, tauschte er die Rechnungen heimlich gegen Papierausschnitte ein. Für die Lieferung der Stücke gingen sie in den Juwelierladen, der zwei Taschen mit dem Schmuck bereit hatte. Aber der Händler verlangte, zuerst das Geld zu sehen. Als sie spürten, dass sie entdeckt werden würden, änderten sie ihre Strategie und setzten Gewalt ein. Einer der Diebe drängte den Schmuckhersteller und entriss die Tiara und andere wertvolle Juwelen».
Theaterreife Vorstellung
Zwei der Täter der kriminellen Vereinigung wurden später wegen des Rip Deals zu lediglich einem Jahr und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Die anderen drei Täter kamen mit nur acht Monaten Gefängnis davon.
«Das Gerichtsurteil ordnete die endgültige Lieferung des zurückgewonnenen Schmucks an den Juwelier an. Ein Teil der Beute wurde von der Nationalen Polizei nach einer mühsamen Untersuchung gefunden, und andere Teile wurden von den Dieben zurückgegeben, um eine Reduzierung ihrer Strafen zu erreichen. Die Polizei holte Schmuck im Wert von sechs Millionen Euro zurück, einschließlich der Tiara.»
- Paron-Schmuck im Wert von vier Millionen Euro fehlt nach wie vor.
Auf einem Blog steht, wonach das milde Urteil den folgenden Grund habe:
„Es war nicht einfach. Die Häftlinge entschieden sich für Schweigen und mussten andere Mitglieder ihres Clans sein, die alle in Italien lebten, wo diejenigen, die zu den Juwelen führten, nicht handelten. Natürlich erst, nachdem sie gesehen hatten, dass die Polizei dieses Landes sie belästigte, um nach der Beute zu fragen. So kontaktierte einer der Jovanovic schließlich die Agenten der Untersuchung, um einen Deal vorzuschlagen:
Sie waren bereit zu enthüllen, wo ein Teil der Beute im Austausch gegen eine „weichere“ Strafe für die Verhafteten war. Warum nicht die ganze Beute? Der Clan versicherte, dass ein Teil des Gestohlenen nicht mehr in ihrem Besitz sei und dass es ihnen unmöglich sei, ihn wiederzugewinnen. Nachdem sie dem Richter von Valencia, der den Diebstahl und die Strafverfolgung untersuchte, die Genehmigung erteilt hatten, stimmten die Agenten (der spanischen Unidad de Delincuencia Especializada y Violenta (UDEV) zu, einen Deal abzuschließen.“
Damit nicht genug: Einen Teil des gefundenen Schmucks hatte die spanische Polizei der Juwelieren Sofía M. S. übergeben. Doch statt diesen Teil im Wert von 900.000 Euro an den ursprünglichen Besitzer zurückzugeben, weigerte sie sich. Das schreibt asprovincias.es. Deshalb wurde die Juwelierin 2018 von einem spanischen Gericht zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt.
Auch Juwelierin konnte nicht genug bekommen
«Sofía MS akzeptierte eine zweijährige Haftstrafe wegen Aneignung der Tiara, die angeblich der argentinischen Schauspielerin gehörte, einem Juwel im Wert von 900.000 Euro, dessen Aufenthaltsort trotz der offenen polizeilichen Ermittlungen zur Wiedererlangung unbekannt ist. Der Staatsanwalt beantragte in seiner Anklageschrift fünf Jahre Gefängnis für die Juwelierin, die wegen eines Verbrechens der Veruntreuung angeklagt wurde, aber gestern reduzierte er seinen Antrag auf zwei Jahre Gefängnis, nachdem die Parteien eine Einigung erzielt hatten.»
Sofia MS soll sich in der Einigung bereit erklärt haben, die ursprünglichen Eigentümer der Tiara mit 900.000 Euro zu entschädigen. Sie hatte 2008 das Juweliergeschäft «Reina 4 Joyeros» besessen und hatte einen Teil des Schmucks, der Eva Perón angeblich gehörte, für einen Preis von 900.000 Euro an einen Kunstsammler verkauft.
Im März 2009 überzeugte Sofía den Käufer, die Tiara als vorübergehende Kaution zu liefern, um das Juwel auf verschiedenen Ausstellungen und Messen zum Verkauf anzubieten. Bereits 2016 war die valencianische Juwelierin zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Grund: Sie hatte von 14 Kunden Schmuck im Wert von einer halben Millionen Euro nicht mehr zurückgegeben.
Definition Rip Deal
La Repubblica schreibt zum Juwelen-Rip Deal von Spanien, dass es einer der größten Rip Deals auf europäischer Ebene gewesen sei. Rip Deal umschreibt die Zeitung wie folgt:
«Ein Rip-Deal ist eine Art von Betrug, der normalerweise im Internet im Zusammenhang mit einem Immobilienverkauf oder einem Geldwechsel auftritt und im Austausch von Geld endet.. durch selbsternannte Geschäftsleute, in der Regel Nomaden (Anmerkung: früher als «Zigeuner» bezeichnet; was heute aber nicht mehr als zeitgemäße Formulierung gilt), die täuschen und blitzschnell rauben.»
Zum ganzen Juwelendiebstahl führt La Repubblica aus: «Insgesamt erließ die spanische Justizbehörde acht Untersuchungshaftbefehle, von denen sechs in Spanien und einer gegen Nikolic Nen. (Name abgekürzt), einen 40-jährigen Serben Mailänder Herkunft, in Italien vollstreckt wurden. Eine Person ist derzeit auf der Flucht. Zwei müssen noch identifiziert werden.»
Rip Deal konnte mit Videoaufnahmen eines Mailänder Hotels aufgeklärt werden
Die Carabinieri hatten die Täter in einem sehr luxuriösen, aber wenig bekannten Palast am südwestlichen Rand der lombardischen Hauptstadt Mailand ausfindig machen können. Hier wohnten die Nomaden-Hauptfamilien der Sinti und Roma, die an dem Juwelen-Raub beteiligt waren. Zuvor hatte die Polizei eine Woche nach dem Diebstahl begonnen, die Täter und Familien abzuhören. La Repubblica schreibt:
«Als sie wenige Tage nach den Ereignissen von Interpol benachrichtigt wurden, hatte das Mailänder Militär gerade eine ähnliche Untersuchung eines Treffens der nomadischen Roma-Betrüger in Deutschland abgeschlossen, so dass nach dem Senden der Videoüberwachungsanlage-Bilder (CCTV-Bilder) des Hotels aus Mailand, wo der Rip-Deal stattfand viele der Banditen von Ermittlern erkannt worden waren.»
Der Juwelen-Rip Deal hatte dank eines ausgeklügelten Doppelbodenschreibtisches, welcher den Austausch von Koffern erleichtert, durchgeführt werden können:
„Sieben Stunden lang zählten sie die Geldscheinbündel, die später ein Mitglied der Bande in einer Tischschublade aufbewahrte. Was der Schmuckschreiber, der kam, um die Zählung zu bestätigen, nicht wusste, war, dass sich ein Verbrecher in einem doppelten Boden des Schranks versteckt hatte, der die Bündel authentischer Rechnungen gegen andere eintauschte, die nur die ersten und letzten Rechnungen als gesetzliche Währung hatten. Der Rest waren Fotokopien mit dem Symbol einer Fast-Food-Kette. Nachdem das Geld gezählt und die Klebestapel in einen Koffer gesteckt worden waren, ging die Prozession zum Juweliergeschäft, um die kostbaren Juwelen zu stehlen.“
Polizei spürte die Täterfamilien in einem Palast bei Mailand auf
Das Hotelzimmer im Hotel Silver Milano (Hotel Silver Mailand), wo die Juwelen in Mailand beschlagnahmt worden waren, war von einem Mann unter falschem Namen angemietet worden. Da aber Rip Deal-Banden oft aus Hunderten Mitgliedern und Zuträgern bestehen, wie es bei der Mafia üblich ist, hatte der Mann, der das Zimmer angemietet hatte, nicht verhaftet werden können:
«Die Carabinieri erwarteten ihn und beschlagnahmten das gestohlene Eigentum vor seiner Rückkehr, was offensichtlich nie geschah. Aber das war es wert. Unter den gefundenen Stücken befindet sich eine großartige Tiara im Wert von 4 Millionen Euro, eines der Symbole für Evitas Aussehen, die die ursprüngliche Dame von den holländischen Königen erhalten hat, zwei Ringe und ein paar Anhänger, alle mit Diamanten.»
Zwei Täter waren aber in der Schweiz der Polizei in die Hände gefallen, ein anderer in Turin und wieder ein anderer in Frankreich:
Die italienische Ausgabe von Vanity Fair schrieb zu dem gigantischen Raub:
«Die Ermittlungen ermöglichten es, die sechs Täter.. zu identifizieren, von denen einer (Roma-Serbe von 1971) nach einem von der spanischen Justizbehörde erlassenen europäischen Haftbefehl im Mai 2010 vom italienischen Militär des Ermittlungskerns in Mailand verhaftet wurde.»
Einzelnachweise
[1] Fand die Juwelen von Evita Peron im Jahr 2009 im Wert von 6 Millionen gestohlen, in: La Repubblica Milano, Mailand vom 22.6.2011. Abgerufen am 28.7.2020.
[2] Auf der Suche nach Eva Peróns Tiara verschwand sie wieder in Valencia (En busca de la tiara de Eva Perón, desaparecida otra vez en Valencia), von JAVIER MARTÍNEZ, Valencia, in: lasprovincias.es vom 31.10.2018. Abgerufen am 28.7.2020.
[3] Evitas Juwelen in Mailand gefunden, in: vanityfair.it vom 22.6.2011. Abgerufen am 28.7.2020.
[4] Un pacto de ‚película‘ para recuperar los diamantes de Eva Perón, übersetzt: Ein „Film“-Pakt zur Wiedererlangung der Diamanten von Eva Perón, in: publico.es vom 29.6.2011. Abgerufen am 27.8.2022.